Home Region Sport Schweiz/Ausland Magazin Agenda
Gesellschaft
14.11.2022

Berufstätige mit Kindern unterstützen

Nicole Chiozza ist seit vielen Jahren Erzieherin aus Leidenschaft.
Nicole Chiozza ist seit vielen Jahren Erzieherin aus Leidenschaft. Bild: Gabriella Coronelli, Schaffhausen24
Die externe Kinderbetreuung kann für das Wohl von Kindern und berufstätigen Eltern entscheidend sein. Doch die Herausforderungen für Kitas sind enorm.

Die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie ist für berufstätige Eltern vielerorts ein Dauerthema: auch im Kanton Schaffhausen. Es gibt verschiedene Gründe, warum die Sicherstellung der Kinderbetreuung während der Arbeitszeit nicht abwechselnd durch die Eltern wahrgenommen werden kann. Eine unentgeltliche oder günstige Unterstützung durch Grosseltern oder Nachbarn ist nicht immer realisierbar. Besteht dann der Wunsch, oder die Notwendigkeit, die Familienfinanzen aufzubessern, bleibt als einzige Alternative die Kindertagesstätte. Doch diese wird oft mit Wartelisten, Fachkräftemangel und nicht zuletzt auch mit administrativen Hürden in Verbindung gebracht. Letztere haben aufgrund neuer Verordnungen massiv zugenommen. 

Lange Wartelisten

Nicole Chiozza ist die Leiterin der Kindertagesstätte Zipfelwitz in Beringen. «Es tut mir jedes Mal leid, wenn ich Eltern mitteilen muss, dass wir ihr Kind momentan nicht aufnehmen können. Die Warteliste ist lang und dies ist nicht nur bei uns so». Aktuell werden in der Kita Zipfelwitz insgesamt 55 Kinder betreut. Die maximale gleichzeitige Platzbelegung beläuft sich auf 22. «Kritisch ist vor allem die Versorgung der Kinder in der Mittagszeit. Viele Eltern wären aufgrund ihrer Arbeitszeiten froh, wenn ihre Kinder bei uns im Haus Mittagessen könnten. Die Verordnung sieht jedoch leider vor, dass die maximale Anzahl von 22 Kindern nicht überschritten werden darf», erzählt die 58-jährige Erzieherin und Berufsbildnerin. So kommt es immer wieder vor, dass Eltern, die ihre Kinder am Vormittag in der Kita betreuen lassen, bereits vor dem Mittagessen die Kinder abholen, schnell zuhause essen und die Kinder nach der Mahlzeit wieder in die Kita bringen müssen. «Obschon die Kapazität vorhanden wäre, darf ich aufgrund der Auflagen nicht mehr Kinder betreuen. Die Verordnung sieht in vielen Bereichen eine Begrenzung vor, so auch beim Platz».

Begrenzte Plätze

Das Haus im Löwenhof in Beringen konnte Nicole Chiozza im April 2019 erwerben. «Das Haus war ein Glücksfall, wir haben lange nach passenden Räumlichkeiten gesucht. Dank der Unterstützung vieler fleissiger Freiwilliger, darunter auch Eltern, Mitarbeitende und deren Familien, konnte das Haus kindergerecht umgebaut und im darauffolgenden September eröffnet werden. Wir alle fühlen uns sehr wohl hier», schwärmt die sechsfache Grossmutter. 

Die kantonale Pflegekinderverordnung (PAVO) gibt die maximal zulässige Anzahl betreuter Kinder, welche nach Alter der Kinder gewichtet ist, genau vor. Doch nicht nur die Platzverhältnisse sind in der PAVO geregelt. Die Verordnung beinhaltet auch Vorgaben, die das Betreiben einer Kita erst ermöglichen. So sind neben dem Betreuungsschlüssel auch die Anordnung und Aufteilung der Räume vorgeschrieben. Diverse Konzepte müssen sichergestellt werden, dazu gehören das Betriebskonzept, das pädagogische Konzept, das Sicherheits-, Hygiene- und Ernährungskonzept. 

Schwierige Ausgangslage

«Ich bin ständig am Jonglieren. Entweder mit den Eltern, um ihre Kinder so gut und so oft wie möglich versorgen zu können, oder mit der Administration bezüglich der auferlegten Vorlagen der PAVO». Letztere ist mit enormem bürokratischem Aufwand verbunden, insbesondere in Bezug auf die Kostenabrechnungen. Die per 1. Januar 2021 in Kraft gesetzte Verordnung bezüglich der Betreuungsgutschriften zur Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung im Vorschulalter sei aufwändig. «Die Betreuungsgutschriftenverordnung hat meine Präsenzzeit im Büro massiv erhöht. Hinzu kommt die schwierige personelle Situation. Erzieherinnen und Erzieher zu finden ist äusserst schwierig. Es dauert viele Wochen, bis eine frei gewordene Stelle besetzt werden kann», so die Erzieherin weiter.

Ausgetrockneter Arbeitsmarkt

Abklärungen beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Schaffhausen haben ergeben, dass die Arbeitsmarktsituation für Erzieherinnen und Erzieher von Kitas stark ausgetrocknet ist. Auf Anfrage des «Bocks» bestätigt Bruno Büchi, Leiter Arbeitsamt Schaffhausen: «Aktuell haben wir kaum verfügbare ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher -unter dem Beruf Fachfrau Betreuung Kinderbetreuung- die beim RAV angemeldet sind». Weiter bestätigt Bruno Büchi, dass in den vergangenen drei Jahren nur wenige Arbeitssuchende an Kitas vermittelt werden konnten; in einzelnen Fällen habe das RAV jedoch mit Ausbildungspraktika unterstützen können. Die familienergänzende Bildungs- und Betreuungsbranche sei allgemein von einem akuten und sich akzentuierenden Fachkräftemangel betroffen.

Viel Freude bei der Arbeit

Trotz der vielen Hürden geht Nicole Chiozza seit vielen Jahren ihrem Traumberuf nach. «Kinder sind ein Lebenselixier. Ich gehe bei meinem Beruf nicht einer Arbeit, sondern meiner Leidenschaft nach. Kinder sind etwas Wundervolles». Die 58-Jährige schwärmt von ihrem Beruf. «Meine Arbeit hält mich jung und ist in vielerlei Hinsicht auch sinnstiftend. Einerseits kann ich mit den Kindern lachen, lustig sein und sie aufwachsen sehen. Andererseits freue ich mich, dass ich die Eltern entlasten kann, indem ich ihnen das Gefühl übermitteln kann, dass ihre Kinder gut versorgt sind, während sie ihrer Arbeit nachgehen können». Bei einem hängigen Postulat vom vergangenen Juni ersucht Nihat Tektas (FDP) die bürokratischen Aufwände der Kitas zu entlasten. Zahlreiche Ratsmitglieder aus verschiedenen Parteien unterstützen den Vorstoss ebenfalls. Nicole Chiozza schöpft etwas Hoffnung: «Es wäre schön, wenn wir die benötigte Zeit für die Administration wieder für die Kinder einsetzen könnten».

Gabriella Coronelli, Schaffhausen24