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Gesellschaft
02.05.2023

Ganz im Auftrag des Abfalls

Mit grossen Baggern werden an drei Standorten jährlich insgesamt 65 000 Tonnen Abfälle sortiert und weiterverarbeitet.
Mit grossen Baggern werden an drei Standorten jährlich insgesamt 65 000 Tonnen Abfälle sortiert und weiterverarbeitet. Bild: Salome Zulauf, Schaffhausen24
Was passiert eigentlich mit unserem Abfall oder den gebrauchten Gegenständen, die uns nicht mehr gefallen? Dieser Frage ging der «Bock» nach und versuchte herauszufinden, was die Schaffhauserinnen und Schaffhauser tagtäglich wegwerfen. Eine Reportage, bei der die Thematik wortwörtlich in der Tonne liegt.

Montagmorgen gegen 10 Uhr: Wenn in vielen Betrieben noch die letzten Termine für die bevorstehende Woche geplant werden, herrscht bei der Arnold Schmid Recycling AG im Herblingertal bereits reger Betrieb. Unzählige Autos parken in der Nähe der Einfahrt, Passantinnen und Passanten holen ihre vollbepackten Säcke aus dem Kofferraum und sortieren den Inhalt in vorbildlicher Art und Weise in die dafür vorgesehenen Mulden. Im hinteren Teil der grossen Halle sind riesige Fahrzeuge und Bagger zu sehen, mit denen jede Menge Müll und Schrott sortiert wird. Es ist laut – von überall sind irgendwelche Geräusche von Fahrzeugen oder Maschinen zu hören, die darauf hindeuten, dass hier gearbeitet wird. 

Im vorderen Teil der Halle ist eine Maschine zu erkennen, die einem Förderband ähnelt und gerade unzählige bunte Aluminiumdosen sortiert, die anschliessend in grosse Würfel gepresst und wie eine Art Tetris-Spiel aufeinandergestapelt werden.

 Vom Sperrgut zum Wertstoff

«Wir haben im ganzen Kanton Schaffhausen mittlerweile drei Standorte, die zum Unternehmen gehören», erklärt Alex Locher, Geschäftsführer der Arnold Schmid Recycling AG. An den Standorten Neunkirch, Beringen und Herblingen wird tagtäglich jede Menge an Schrott von Firmen, aber auch Privatpersonen gebracht, welcher anschliessend von den Maschinen oder durch Handarbeit sortiert und für den Transport in die Kehrichtverbrennungsanlage oder zum Recyceln vorbereitet wird. Beim Sperrgut, wie beispielsweise einem Bürotisch, werden die verschiedenen Materialien noch von Hand auseinandergenommen, um eine saubere Trennung sicherzustellen. Rund zehn bis zwölf Tausend Tonnen an Sperrgut werden jährlich von den insgesamt 25 Mitarbeiter:innen von Hand sortiert. «All dieses Sperrgut ist in irgendeiner Hinsicht ein Wertstoff, welchen wir recyceln und weiterverarbeiten, ergänzt der Geschäftsführer und zeigt den hinteren Teil der Halle. «Damit versuchen wir, möglichst viele dieser Materialien in diesem Kreislauf aufrechtzuerhalten, und recyceln etwa 60 Prozent unserer Materialien.»

Wegwerfgesellschaft als Business

Durch den Aufschwung der wirtschaftlichen Industrie ist der Trend einer Wegwerfgesellschaft immer mehr aufgekommen. «Klar ist, dass wir in der Kehrricht- und Recyclingbranche von der Wegwerfgesellschaft leben – es ist sozusagen unser Business», ergänzt der Geschäftsführer. «Und trotzdem versuchen wir als Unternehmen auch auf das Thema aufmerksam zu machen und vor allem junge Menschen darauf zu sensibilisieren.» Deshalb zeigt Alex Locher immer wieder Schulklassen die Kehrricht- und Recyclingindustrie und erklärt ihnen, wie sie durch Kleinigkeiten etwas gegen die Wegwerfgesellschaft unternehmen können. 

In den unterschiedlichsten Farben und Formen werden die Aluminiumdosen hier zu grossen Quadraten gepresst, damit sie anschliessend transportiert werden können. Bild: Salome Zulauf, Schaffhausen24

Die Zeiten ändern sich

Hat Alex Locher in den vergangenen Monaten aufgrund der steigenden Preise eine Veränderung in der Kehrricht- und Recyclingbranche wahrgenommen? «Eine Veränderung, welche wir deutlich spüren, ist, dass aktuell die wirtschaftliche Kaufkraft nicht mehr so gross ist wie früher, dies wirkt sich schlussendlich auch auf unsere Branche aus.» Wertstoffe wie beispielsweise Altpapier oder Karton sind dabei zwei essentielle Materialien, welche zwar noch einen grossen Bedarf  aufweisen, jedoch jährlich mit einer abnehmenden Tendenz zu beobachten sind. Dies liegt vor allem daran, dass Firmen Briefe oder Werbungen nicht mehr per Brief versenden, sondern alles über das Internet, also E-Mail oder einen Newsletter verschickt wird.

Privatkunden nur ein Bruchteil

Und obwohl im Eingangsbereich der Arnold Schmid Recycling AG die Privatkund:innen Schlange stehen, um ihren Sperrmüll abzugeben, erklärt Alex Locher, dass dieser nur einen kleinen Teil der Gesamtmenge ausmacht. «Rund zehn Prozent der Jahresmenge, die wir an unseren drei Standorten im Kanton verarbeiten, wird von Privathaushalten angeliefert», sagt der Schaffhauser. Bei den restlichen 90 Prozent handelt es sich zum grössten Teil um Gewerbebetriebe, was sich schliesslich zu einer Menge von rund 65 000 Tonnen Abfall pro Jahr summiert.

Auf die Frage, ob unter diesen 65 000 Tonnen nicht ganz alltägliche Gegenstände zu finden waren, antwortet Alex Locher: «Wir hatten einmal die Situation, dass eine drapierte Fliegerbombe bei uns abgegeben wurde. Da mussten wir natürlich die entsprechenden Massnahmen mit Spezialisten treffen, um die Sicherheit zu gewährleisten.» Weiter berichtet er: «Eine weitere Sicherheitsmassnahme ist, dass alle Wertstoffe und Materialien auf Radioaktivität getestet werden, damit bei der Kehrichtverbrennung kein Risiko entsteht.» Vor allem mit Blick auf die Verarbeitungstiefe und die Sortierung der Materialien sieht Alex Locher grosse Veränderungen. «Urban Mining ist dabei ein grosses Thema», so der Geschäftsführer. «Aus unserer Sicht ist der Abfall von heute die Mine von morgen.»

Alex Locher blickt zuversichtlich in die Zukunft der Abfallbranche. Bild: Salome Zulauf, Schaffhausen24

Urban Mining

Urban Mining ist die Rückgewinnung von Rohstoffen aus Abfällen und Altprodukten in städtischen Gebieten. Dabei werden beispielsweise Elektroschrott, Baustoffe oder Metalle weiterverwendet. Ziel ist es dabei, den Verbrauch der natürlichen Ressourcen zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. 

Salome Zulauf, Schaffhausen24
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