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Schaffhausen
16.04.2024
18.04.2024 14:12 Uhr

In welche Klasse kommt das Kind?

Rund 300 Kinder wechseln Mitte August in der Stadt Schaffhausen vom Chindsgi in die Schule. Bei wem sie im Klassenzimmer sitzen, wissen sie noch nicht.
Rund 300 Kinder wechseln Mitte August in der Stadt Schaffhausen vom Chindsgi in die Schule. Bei wem sie im Klassenzimmer sitzen, wissen sie noch nicht. Bild: Claudia Riedel, Schaffhausen24
Die Schul- und Klasseneinteilungen sind eine grosse Sache. Nicht nur für die Eltern, sondern auch für die Verantwortlichen bei der Stadt Schaffhausen. Die Planung läuft schon seit Monaten auf Hochtouren.

Die Hiobsbotschaft trifft Yvonne Stocker vor drei Wochen. Die Schulvorsteherin aus dem Schulhaus Zündelgut ist mitten in der Stundenplanung, als sie am Telefon erfährt, dass ihr im neuen Schuljahr 60 Erstklässler zugeteilt werden. «Das ist eine ganze Klasse mehr als im Vorjahr», so Yvonne Stocker. «Die Nachricht war ein Schock.» Denn eine Klasse mehr bedeutet nicht nur eine neue Lehrperson suchen, sondern auch noch ein zusätzliches Schulzimmer.

Aber Stocker hatte gleich doppelt Glück. Sie konnte nicht nur die Stelle schnell besetzen, sondern auch das Platzproblem lösen. «Wir hatten noch ein Medienzimmer, das wir relativ unkompliziert opfern konnten», so die Schulvorsteherin.

Räumlich stösst die Stadt an Grenzen

So einfach geht es nicht immer. Kathrin Menk, Bereichsleiterin beim Schulamt der Stadt Schaffhausen, sagt: «Das Schwierigste bei der Planung sind die Klassenräume. Wir sind pumpenvoll.»

Seit November sind Kathrin Menk und ihr Team daran, die rund 300 Kindergärtler auf die Schulen zu verteilen. Zwar seien die Kindergärten eigentlich den Schulhäusern zugeteilt. Das gehe aber nicht immer auf. «In diesem Jahr haben wir beispielsweise viele Kinder, die aus privaten Kindergärten zurück in die öffentliche Schule kommen», so Menk. Diese Kinder sind in diesem Falle nicht mehr im System und werden somit nicht mitgerechnet. «Die vielen zusätzlichen Kinder in den Quartieren Zündelgut, Emmersberg und Alpenblick haben auch uns überrascht.»

Bei der Planung werde jedes Kind einzeln angeschaut. Dazu geben die Mitarbeiter:innen vom Schulamt die Adressen auf Google ein und prüfen den Weg zum nächsten Schulhaus. Teilweise würde man die Wege sogar einzeln abgehen und manchmal müsse man bei der Stadt sogar neue Lichtquellen einfordern. Grundsätzlich sollte der Schulweg in der Unterstufe nicht weiter als zwei Kilometer sein. Kathrin Menk: «Generell schauen wir, dass es weniger ist.» Die höchste Priorität habe aber die Betreuungssituation. «Unser Ziel ist immer die beste Lösung fürs Kind und die Familie.»

Nach den Ferien gehts an die Klassen

Schulvorsteherin Yvonne Stocker weiss inzwischen zwar, wie viele Erstklässler sie bekommt. «Die definitive Liste mit den Namen erhalten wir aber erst nach den Frühlingsferien.» Dann geht es an die Klassenverteilung. Dazu schreibt die Schulvorsteherin jeden einzelnen Namen auf ein farbiges Kärtchen und darunter allfällige Bemerkungen und Wünsche. Also beispielsweise, ob das Kind einen Deutschkurs oder Logopädie braucht oder ob es einen Mittagstisch besucht. Ebenso notiert sie Gspändli-Wünsche oder -Abneigungen. Zudem sind die Karten farblich nach Geschlecht getrennt. «Aber bewusst nicht mit Rosa und Blau», sagt Yvonne Stocker lachend.

Im nächsten Schritt kommt es zum grossen Treffen mit den abnehmenden Lehrer:innen und den Kindergärtner:innen. «Wir sind gut 10 bis 15 Personen am Tisch und ich breite meine Zettel aus.» Zuerst berichten die Kindergärtler:innen, welche Gruppen gut funktionieren und wo es Probleme gibt. «Der Fokus liegt aber nicht nur darauf, Streithähne zu trennen, sondern wir wollen gute Dynamiken auch mitnehmen», erklärt Stocker.

  • Schulvorsteherin Yvonne Stocker hat vor dem Schulstart viel zu organisieren: «Die definitive Liste erhalten wir erst nach den Frühlingsferien.» Bild: Claudia Riedel, Schaffhausen24
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  • Kathrin Menk (l.) vom Schulamt geht mit ihrer Mitarbeiterin Piroska Sipöcz die Listen durch. Bild: Claudia Riedel, Schaffhausen24
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Letztes Wort hat die Schulvorsteherin

Auf grossen Plakaten nehmen die Kindergärtler:innen ihre erste Einteilung vor. Die Kinder werden auf die Klassen 1a, 1b, 1c verteilt. Dann bringen die Lehrer:innen ihre Anregungen ein. «Mir ist wichtig, dass wir die Freude und Last gleichmässig auf alle Lehrpersonen verteilen», so die Schulvorsteherin. Dabei seien auffällige Kinder nicht zwingend eine Last, sagt Stocker. «Manche Lehrpersonen sehen sie als willkommene Herausforderung.» Zentral sei in jedem Fall ein gesunder Geschlechtermix und dass nicht alle fremdsprachigen Kinder in einer Klasse seien. So würden die Lehrpersonen die Kinder meist unter sich aufteilen, sagt Stocker. Wenn die Schulvorsteherin aber merkt, dass Lehrpersonen in einen Konflikt kommen, greift sie ein: «Dann muss ich einfach einen Schlussstrich ziehen und eine Entscheidung fällen.»

Aber wieso lässt man die Kindergartengruppen nicht einfach bestehen und schickt sie gemeinsam in die 1. Klasse? Schliesslich wurde die Durchmischung ja schon beim Kindergarteneintritt berücksichtigt. Stocker dazu: «Es gibt auch immer Kinder, die neu dazukommen, beispielsweise durch einen Zuzug.» Für sie wäre der Neuanfang in einer bestehenden Gruppe besonders schwierig. Zudem sei eine neue Zusammensetzung für die Kinder auch immer eine neue Chance.

Stundenplan kommt mit Zuteilung

Sobald die Klassen stehen, gehen die Listen mit den Namen zurück ans Schulamt. Dieses informiert dann Mitte Mai die Eltern und liefert, wenn möglich, neben Informationen zum Schuleintritt auch gleich den Stundenplan mit. Das ist verhältnismässig früh. Die Stundenpläne der höheren Stufen gehen meist erst kurz vor den Sommerferien raus. «Stundenpläne sind einfach sehr aufwändig», erklärt Stocker. «Wir müssen uns an verschiedene Vorgaben des Kantons halten.» So müssen zum Beispiel die drei Sportlektionen auf die ganze Woche verteilt sein. «Mit nur einer oder zwei Turnhallen ist das bereits eine Herausforderung.» Ähnlich verhalte es sich mit der Belegung des Musikzimmers und den Räumen für Textiles und Technisches Gestalten. «Hier gibt es regelmässig Engpässe.» Zudem müssen die Stundenpläne noch von verschiedenen Instanzen geprüft und abgesegnet werden. «Das ist sehr zeitintensiv.»

In einer Petition fordert Ex-FDP-Ständeratskandidatin Nina Schärrer fixe Wochentage für den Nachmittagsunterricht in der Primarschule. Damit will sie die Vereinbarkeit von Job und Familie fördern. Yvonne Stocker: «Als Mami habe ich vollstes Verständnis für dieses Anliegen.» Als Schulvorsteherin brauche sie aber diese Freiheit, um Stellen mit gut ausgebildeten Lehrpersonen zu besetzen. Denn diese Flexibilität ermöglicht es einer Lehrperson, an mehreren Schulen tätig zu sein. In Zeiten des Lehrpersonenmangels unabdingbar. Ein Wunschkonzert sei der Stundenplan für die Lehrpersonen aber nicht. «Mein oberstes Gebot ist, dass es für die Kinder einigermassen passt», ergänzt Yvonne Stocker.

Es gibt auch mal Tränen

Wie emotional die Schul- und Klassenzuteilungen für die Eltern sind, zeigen die Rückmeldungen beim Schulamt. In fünf Prozent der Fälle klopfen die Eltern nach der Zuteilung nochmals an. «Wir haben ab und zu weinende Eltern am Telefon», sagt Kathrin Menk. In den meisten Fällen findet man aber eine Lösung, bevor es zum Rekurs kommt. Und auch Schulvorsteherin Stocker sagt: «Wenn ich etwas schieben kann, damit es für Kind und Eltern besser passt, mache ich das gerne.»

Immerhin: Die meisten Erstklässler kriegen die Abklärungen um ihre Person gar nicht mit. Sie freuen sich einfach, wenn sie am Besuchsmorgen im Juni das erste Mal mit ihrem neuen Schuelzgi Schulluft schnuppern dürfen.

Rund 300 Kinder wechseln Mitte August in der Stadt Schaffhausen vom Chindsgi in die Schule. Bei wem sie im Klassenzimmer sitzen, wissen sie noch nicht. Bild: Claudia Riedel, Schaffhausen24
Claudia Riedel, Schaffhausen24