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Gesellschaft
06.08.2024
05.08.2024 16:43 Uhr

Homeschooler in der Bredouille

Die Push kämpfen dafür, dass sie ihre Kinder wieder im Homeschooling mit machbaren Auflagen unterrichten können.
Die Push kämpfen dafür, dass sie ihre Kinder wieder im Homeschooling mit machbaren Auflagen unterrichten können. Bild: zVg.
Seit das neue Schulgesetz in Kraft getreten ist, darf man seine Kinder im Homeschooling nur noch mit einem EDK-anerkannten Lehrdiplom unterrichten. Diese Regelung verunmöglicht den privaten Unterricht für viele Familien. Mit dem «Bock» sprachen die «Privatunterrichtenden Schaffhausen» (Push) darüber, was sich seit der Abstimmung verändert hat und zeigen, wie das Homeschooling auch ohne Lehrdiplom umsetzbar ist.

Bis zum Schulbeginn im August 2023 war es für Eltern noch erlaubt, ihre Kinder im Homeschooling ohne EDK-anerkanntes Lehrdiplom zu unterrichten. Damit war aber durch die Revision des Schulgesetzes Schluss: Obwohl die «Privatunterrichtenden Schaffhausen» (Push) das Referendum dagegen ergriffen, wurde die Vorlage mit 60.1 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Der «Bock» sprach nun ein Jahr später mit den Betroffenen darüber, wie sich ihr Leben seit dem Entscheid verändert hat.

Gründe für Homeschooling

Psychische und gesundheitliche Probleme sowie individuelles Lernen waren Gründe dafür, dass sich die Mitglieder der Push dazu entschieden haben, ihre Kinder im Homeschooling zu unterrichten. Dies ist keine leichte Aufgabe, denn mit dem privaten Unterricht ist viel Zeitaufwand verbunden. «Ich habe mich vollkommen auf das Unterrichten meiner Kinder konzentriert und deshalb selbst nicht gearbeitet», sagt eine betroffene Mutter. «Beim Unterrichten habe ich versucht, den Schulstoff mit selbstständigen und abwechslungsreichen Tätigkeiten zu kombinieren.» Eine weitere erzählt, wie sie ihrem Kind die Mathematik mit praktischen Aufgaben schmackhaft gestaltet konnte: «Das Multiplizieren erklärte ich ihm zum Beispiel mit dem Verdoppeln oder Verdreifachen des Zopfteigrezeptes.» Im Homeschooling haben die Eltern die Möglichkeit, ihren Kindern den Schulstoff auf individuelle Weise beizubringen, was in der Schule nicht umsetzbar wäre. Für die Homeschooler ist klar, dass der private Unterricht nicht für alle Kinder und Eltern eine Lösung ist. Doch aus ihrer Sicht ist dies der einzige machbare und bezahlbare Weg, ihre eigenen Kinder optimal zu unterstützen. «Einmal pro Halbjahr kam auch ein Inspektor zur Kontrolle vorbei», erzählen die Privatunterrichtenden. «Nie hatte jemand einen schlechten Bericht. Die Inspektoren hiessen unser Vorgehen sogar gut, weil sie sahen, dass einige Kinder in der Schule keine Chance gehabt hätten.» Nicht zuletzt geht es um das Kindeswohl, welches zu gewährleisten die Eltern gesetzlich verpflichtet sind.

Ungleichgewicht

Das neue Schulgesetz gibt vor, dass Kinder nur noch mit einem anerkannten EDK Lehrdiplom zu Hause unterrichtet werden dürfen. Das soll nach Aussagen der Befürworter:innen die Bildungsqualität sichern. Auch wenn sich die Eltern nach der Gesetzesänderung dazu entschieden hätten, ein Lehrdiplom zu erwerben, wäre das durch die fehlende Übergangsfrist zeitlich nicht möglich gewesen. Zudem meinen die Gegner:innen, dass vor allem das Programm «ready for teaching» im Widerspruch mit diesem Argument steht, denn auch diese Lehrpersonen verfügen über kein Lehrdiplom und dürfen eine ganze Klasse unterrichten. So erzählt eine Mutter, die ihre Tochter nach einigen Jahren Homeschooling wieder zur Schule schickt, dass sie momentan von einer «ready for teaching» Lehrperson unterrichtet wird. «Wir finden das Programm grundsätzlich eine gute Sache, denn auch diese Lehrpersonen wachsen mit den Aufgaben, so wie wir auch», meinen die Push. «Wir haben auch nachgefragt, ob wir diese Kurse ebenfalls besuchen und so das Homeschooling für unsere Kinder weiterhin ermöglich können. Dies wurde aber direkt verneint. Auch hier sehen wir ein Ungleichgewicht, denn in der Schule ist es legitimiert, dass eine Person ohne Lehrdiplom unterrichtet, aber im privaten Unterricht nicht.» Zudem begründen die Befürworter:innen, dass der soziale Aspekt im Homeschooling verloren gehe. Auch hier sind die Betroffenen anderer Meinung, denn durch den Unterricht zu Hause bleibt viel mehr Freizeit. «Niemand möchte sein Kind isolieren», sagen die Push. «Durch die Partizipation in Freizeitvereinen lernen auch sie den sozialen Umgang mit Mitmenschen.» Zudem ist sich die Gruppe sicher, dass die Schulen sparen, wenn sie ihre Kinder zu Hause unterrichten: «Ich weiss, dass mein Sohn sicherlich einen schulpsychologischen Dienst oder eine Förderung in Anspruch nehmen müsste», so ein Mitglied der Push. «Das kostet für Schulen eine Menge Geld. Wir können das von zu Hause aus auffangen.»

Strenge Regelungen

Im privaten Unterricht dürfen zudem auch nur maximal fünf Schüler:innen unterrichtet werden. Für viele Eltern ist es finanziell unmöglich, eine Lehrperson anzustellen. Weiter legt die Verordnung fest, dass der private Unterricht im Kindergarten und in der Primarschule mindestens 80 Prozent und in der Sekundarstufe mindestens 70 Prozent der Anzahl Wochenlektionen gemäss den Richtlinien zur Gestaltung der Stundenpläne umfassen und an mindestens vier Tagen pro Woche stattfinden muss. Dies legte der Regierungsrat nach der Abstimmung fest. Für die Privatunterrichtenden sind diese Zahlen unverständlich: « Ein Lehrer hat in einer Lektion 45 Minuten Zeit für 20 Kinder. Im privaten Unterricht müssen 80 Prozent der Lektionen von einer diplomierten Lehrperson abgedeckt werden und es dürfen dabei maximal fünf Kinder sein. In unseren Augen ist das ein grosses Missverhältnis». Zudem wurde den Betroffenen versprochen, dass die Verordnung nicht strenger als im Kanton Zürich ausfällt. Ausserdem sind viele Kantone der Schweiz noch um einiges liberaler. Dies wünschen sie sich auch für Schaffhausen.

Offenheit und Kommunikation

Wer seine Kinder seit der Gesetzesänderung immer noch zu Hause unterrichtet, zahlt pro Halbtag eine Busse von 50 Franken. Eine Familie mit drei Kindern zahlt also auf ein ganzes Schuljahr berechnet 50 000 Franken.  Dazu kommen auch noch die Kosten für den Unterricht sowie Ausflüge. «Wir unterrichten unser Kind immer noch im Homeschooling und legen nun Rekurs gegen die extrem hohen Bussen ein», äussert sich eine betroffene Familie. «Wenn sich nichts ändert, bleibt uns nur noch die Möglichkeit des Wegzuges in einen anderen Kanton.» Die Push hoffen immer noch, dass sie ihre Kinder im Kanton Schaffhausen wieder legal unterrichten können. Dafür setzte sich die Gruppe immer wieder mit verschiedenen Vorstössen ein, die aber alle abgelehnt wurden. «Nach der Abstimmung sind wir totgeschwiegen worden», bedauern die Push. «Keine Leserbriefe sind abgedruckt worden. Zudem wussten viele auch nicht, um was es bei der Abstimmung geht und dass diese Regelung einige Familien in die Bredouille bringt». Die Gruppe versuchte nach den Abstimmungen immer wieder Kontakt mit dem Regierungsrat aufzunehmen, doch auch das blieb bis jetzt ergebnislos: «Sie verstecken sich hinter dem Gesetz und wir verstehen nicht, wieso sie nicht mit uns kommunizieren», fragen sich die Privatunterrichtenden. Für die Zukunft wünschen sich die Push mehr Offenheit und sie kämpfen weiterhin dafür, dass sie ihre Kinder wieder im Homeschooling wie vor der Abstimmung mit machbaren Auflagen unterrichten dürfen.

Mevina Portner, Schaffhausen24
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