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Gesellschaft
29.10.2024

Das Haus der Begehrlichkeiten

Einst war in diesem Gebäude die Silbermanufaktur Jezler, ehe die Gebäudeversicherung die Liegenschaft erworben und während 25 Jahren dem Casino Mietrecht gewährt hat. Dieses disloziert nun 2026 nach Winterthur, wodurch das Haus wieder frei wird.
Einst war in diesem Gebäude die Silbermanufaktur Jezler, ehe die Gebäudeversicherung die Liegenschaft erworben und während 25 Jahren dem Casino Mietrecht gewährt hat. Dieses disloziert nun 2026 nach Winterthur, wodurch das Haus wieder frei wird. Bild: Ronny Bien
Mit dem Wegzug von Swiss Casinos nach Winterthur steht die Liegenschaft am Herrenacker 7 in Schaffhausen bald leer. Die Gebäudeversicherung sucht eine langfristige Nutzung, während der «Bock» schon mal auf Ideensuche gegangen ist.

Haben Sie sich auch schon überlegt, was aus dem alten Jezler-Gebäude wird, wenn spätestens im März 2026 das Swiss Casino seine Pforten schliesst und in Winterthur neu eröffnet? Ideen gibt es in der Tat bereits viele, doch eines vorneweg: Eine konkrete Lösung ist noch nicht in Sicht. Dennoch besteht Interesse daran, wie unter anderem eine kleine Anfrage des noch amtierenden Grossstadtrats Marco Planas vom vergangenen Juni zeigt.

Tafelsilber und Feuerschutz

Das Gebäude hat eine lange Geschichte. 1822 gründete Johann Jacob Jezler dort seine Silbermanufaktur Jezler, die über Jahrzehnte hinweg für ihre hochwertigen Tafelsilberwaren bekannt war. Die Nachfrage ging jedoch bis in die 1990er Jahre stark zurück, ehe 1996 das Familienunternehmen an ein Zürcher Fachgeschäft verkauft wurde.
Um die Jahrtausendwende erwarb die Gebäudeversicherung des Kantons Schaffhausen das Jezler-Gebäude als Teil ihrer Anlagestrategie. Die Gebäudeversicherung selbst wurde elf Jahre früher als die Silbermanufaktur, nämlich 1811 gegründet, zu einer Zeit, als vor allem der Schutz von Gebäuden vor Feuerschäden dringend notwendig war. Heute finanziert sie nicht nur die Gebäudewiederherstellung bei Feuer-, sondern auch bei Elementarschäden. Interessanterweise gehört die Versicherung nicht dem Kanton oder der Stadt Schaffhausen, sondern ist eine eigenständige kantonale Institution. Ihr Vermögen sichert nicht nur Grossereignisse ab, sondern mit den darauf erzielten Erträgen kann die Gebäudeversicherung auch die Prämien für die Gebäudebesitzer möglichst stabil und günstig halten. In ihrer über 200-jährigen Geschichte hat die Gebäudeversicherung zwei wichtige Liegenschaften erworben, darunter das Jezler-Gebäude als erstes Objekt um die Jahrtausendwende. Diese Käufe helfen der Gebäudeversicherung ebenfalls, regelmässige Erträge zur Prämienvergünstigung zu erzielen und grosse Schadenereignisse abzusichern. 
Seit 14 Jahren steht Andreas Rickenbach als Direktor an der Spitze der Gebäudeversicherung. Er betont, dass diese Institution nicht Bestandteil der Kantonsverwaltung ist, sondern unabhängig agiert und ihre Strategie auf langfristige Stabilität und Sicherheit ausrichtet. Dies zeigt sich auch in der Suche nach einem neuen Mieter für das Gebäude, der sich idealerweise langfristig einmietet und das Stadtbild von Schaffhausen positiv belebt.

Nutzungsideen für das Jezler-Gebäude

In einer «Bock»-Umfrage wurden verschiedene Ideen zur zukünftigen Nutzung des Jezler-Gebäudes gesammelt. Eine Möglichkeit wäre ein modernes Einkaufszentrum mit integriertem Gastronomiebereich sowie einem Kinderparadies als Hütedienst für Familien. Dieses Konzept betont die Familienfreundlichkeit und die Vielfalt an Einkaufsmöglichkeiten.

Eine andere Idee ist die Rückkehr zu den Wurzeln der 80er und 90er Jahre: eine Spielhalle mit Flipperautomaten, Tischfussball und anderen Klassikern. Der nostalgische Charme solcher Spielhallen könnte durchaus seine Fans finden.

Eine weitere Vision sieht das Gebäude als gastronomischen Tempel vor. Hier könnten wechselnde Pop-up-Küchen kulinarische Weltreisen anbieten und so ein immer neues Geschmackserlebnis schaffen.

Der Herrenacker als Kultur-Hotspot? Denn auch ein Konzert- und Veranstaltungslokal wurde vorgeschlagen. Dieses könnte als Alternative zur mittlerweile abgerissenen Funkerhütte dienen und Raum für Konzerte, Theateraufführungen und andere Veranstaltungen bieten.

Ein pragmatischer Ansatz wäre die Umnutzung des Gebäudes zu Büro- und Wohnflächen. Vielleicht könnte auch ein kleiner Laden darin Platz finden und den Herrenacker zusätzlich beleben.

Eine besonders innovative Idee ist die Schaffung eines Generationenhauses. Hier würden sämtliche Altersgruppen unter einem Dach zusammenkommen: Spiel- und Kreativräume für Kinder, Jugendliche, aber auch für Erwachsene, Rückzugs- und Aufenthaltsbereiche für ältere Menschen – ein Konzept, das zunehmend an Beliebtheit gewinnt.

Schliesslich wurde auch die Errichtung einer Markthalle nach südeuropäischem Vorbild vorgeschlagen. Hier könnten lokale Händler ihre Waren in einem offenen, lebendigen Ambiente anbieten und so eine besondere Atmosphäre schaffen.

Was könnte auf das Casino auf dem Herrenacker wohl folgen? Spannende Vorschläge seitens der Bevölkerung gibt es alleweil. Bild: Ronny Bien

Anforderungen und Ausblick

Für Direktor Andreas Rickenbach stehen die Anforderungen an einen künftigen Mieter des Jezler-Gebäudes fest – doch es darf auch gern kreativ werden. Am liebsten sähe er eine einzige Partei, die sich langfristig niederlässt. Der Mieter soll aber nicht nur die Räumlichkeiten füllen, sondern idealerweise auch zur Belebung des Herrenackers beitragen. Platz ist ja genug vorhanden. Rickenbach zeigt sich dabei offen für viele Ideen. «Alles ist möglich», sagt er mit einem Augenzwinkern, «aber passen muss es schon.» Es gibt zwar bereits erste Interessenten, aber eine Entscheidung über die Nachnutzung ist noch nicht gefallen, umso mehr, als derzeit zunächst die Sanierungserfordernisse und Umgestaltungsmöglichkeiten abgeklärt werden. Mietinteressenten, welche das Gebäude für langfristig ausgerichtete Nutzungen mieten möchten, können sich daher nach wie vor melden. Ob eine Kita, eine Markthalle, ein Generationenhaus oder etwas ganz Anderes entsteht, bleibt abzuwarten – fest steht nur, dass das Gebäude nach Möglichkeit weiter eine zentrale Rolle im städtischen Leben spielen und das Gesicht von Schaffhausen auf Dauer positiv und belebend mitprägen soll.

Ronny Bien, Schaffhausen24