«Lange Zeit wollte ich nicht Ingenieurin, sondern Tierärztin oder Chirurgin werden», so die 24-jährige Schaffhauserin Anna Katharina Sulzer. Erst im zweiten Jahr an der Kantonsschule habe sie gemerkt, dass ihr Mathe und Physik besser liegen als Biologie und Chemie. «Auswendiglernen war nie etwas für mich», fügt sie schmunzelnd an. Das Interesse an MINT-Fächern habe sich früh entwickelt. Lösungsorientiertes Denken, Zusammenhänge und Naturgesetze verstehen, fasziniere sie.
«Ich muss zugeben, dass ich nicht die klassische Ingenieurin bin, die von klein auf mit Lego gespielt und in der Freizeit Dinge auseinander- und zusammengebaut hat. Viel lieber verbringe ich meine Freizeit im Stall, beim Sport, unter Freunden oder etwa mit Nähen.» Ihr sei es wichtig, ihre Interessen zu pflegen, die zur Persönlichkeitsbildung beitragen. Nichtsdestotrotz investiert Anna Sulzer viel Zeit und Herzblut, und das nicht seit gestern, in ihre schulische und berufliche Entwicklung im Bereich Raumfahrt.
Roboter, Drohne, Rakete mit Fallschirm
Die Schaffhauserin hat einen Bachelor of Science ETH in Maschineningenieurwissenschaften in der «Raumfahrttasche». Gerne erinnert sie sich ans Studium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) zurück. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, an vielen Projekten mitzuwirken. Im ersten Jahr habe das «Innovationsprojekt» den Bau eines kleinen Roboters im Team beinhaltet. Im dritten Jahr und Zuge des Fokusprojekts sei es darum gegangen, ein spezifisches Projekt intensiv zu verfolgen, erklärt Sulzer: «Mein Team entwickelte, baute und startete eine Rakete mit einem autonom gesteuerten Fallschirm.» Wiederum hätten andere Aufgaben von Medizinaltechnik über Drohnenprojekte bis zu elektronischen Rennautos gereicht. «Diese Projekte ermöglichen es den Studierenden praktisch zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen und Einblicke in die Designfaktoren jenseits der Theorie zu erhalten.»
Ein Faible für Weltraumtechnik
Während des ETH-Studiums engagierte sich Anna Katharina Sulzer zwei Jahre lang bei der Akademischen Raumfahrtinitiative Schweiz (ARIS). Dabei handelt es sich um einen Studierendenverein, welcher Raketen, Satelliten und andere Raumfahrtsysteme baut. «Im Zuge dessen kristallisierte sich bei mir das Interesse an einer Karriere in der Luft- und Raumfahrt heraus», resümiert die Schaffhauser Studentin. Eine Kontaktperson von ARIS habe sie, zu ihrer Freude, für das Programm des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA empfohlen, wodurch ein technisches Interview mit zwei Ingenieuren des Projekts zustande kam.
Während eines Urlaubs in Boston, gegen Ende des Bachelorstudiums, habe Sulzer das MIT besucht und aus Spass Freunden gesagt, dass ihr ein Masterstudium in den USA vorschwebe. «Beim Durchstöbern der Optionen an der ETH, musste ich feststellen, dass es keinen ‹Space Master› gibt. Seit nun einem Jahr bieten sie diesen an.» Es sei für sie klar gewesen, dass nur Schulen in Frage kommen, die wie die ETH, zu den weltweit Top-Unis gehören. Dadurch habe sie definitiv den Entschluss gefasst, ihr Glück an US-Unis zu versuchen: «Eines meiner Lebensmottos ist, es immer wenigstens zu versuchen, denn sonst erfährt man nicht, ob es vielleicht doch geklappt hätte.»
Mit einem Motivationsschreiben, Referenzen von drei ETH-Professoren und einem TOEFL-Sprachtest im digitalen Briefumschlag habe sie sich an verschiedenen Unis in den Staaten beworben.
Nächster Planet: Nobelpreis-Uni
Die 1891 gegründete Leland Stanford Junior University (kurz Stanford University), welche aus sieben Fakultäten besteht, hat Anna Sulzer schlussendlich ins Masterprogramm aufgenommen. Diese Wissensschmiede in der San Francisco Bay Area, auch bekannt als «Silicon Valley», gehört zu den Renommiertesten und Wissensstärksten der Welt. Sie hat momentan 21 Nobelpreisträger, 24 MacArthur-Fellows und vier Inhaber eines Pulitzer-Preises – um eine Auswahl zu nennen. Rund fünf Kilometer vom Schulgelände entfernt befindet sich das Hauptquartier von META, dem Konzern hinter Facebook, WhatsApp, Instagram und Co. Google liegt etwa sieben Kilometer von der mit dem Spitznamen «Die Farm» versehenen Uni entfernt und noch weiter östlich ist Intel stationiert.
Das «Aerospace Engineering»-Studium besteht unter anderem aus Fächern, die Themen wie Orbital- und Fluiddynamik sowie Regelungs- und Antriebssystemen behandeln. «Ein Projekt beinhaltete die Entwicklung einer Simulation, für einen selbst ausgewählten Satelliten, bestehend aus Umlaufbahn, Subsysteme und Mission», zählt die Standford-Studentin ein Highlight der ersten Monate an der Uni auf.
Die günstige Lage des 3310 Hektaren grossen Campus, mit über 16 000 Studenten, mitten im Silicon Valley, biete unglaubliche Möglichkeiten, weiss Sulzer aus eigener Hand: «Regelmässig treten bekannte und renommierte Unternehmer als Gastredner auf. Diverse Fächer bieten die Möglichkeit an, ein eigenes Start-up aufzubauen.» Die Anlage sei zudem wundervoll, beherberge unzählige Clubs und lade zum Sport und zu anderen Aktivitäten ein. «Obwohl ich mit dem Studium sehr beschäftigt bin, versuche ich das schöne Kalifornien mit seinen Stränden und Nationalparks zu erkunden.» Mehrmals die Woche gehe sie dem Reitsport nach und sei zudem neu auf dem Tennisplatz anzutreffen.