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Sport
22.07.2025

Sie pfiff sich ihren Platz auf dem Feld

Der FC Goitschel bei einem Fussballspiel auf der Breite in Schaffhausen.
Der FC Goitschel bei einem Fussballspiel auf der Breite in Schaffhausen. Bild: Salome Zulauf, schaffhausen24
Für Monika Stahel bedeutet der Fussball mehr als ein Spiel auf dem Rasen. Sie war eine der ersten Schiedsrichterinnen der Schweiz. Anlässlich der aktuellen Frauen-EM erzählt sie dem «Bock», wie sie damals trotz Widerstände angepfiffen hat.

Wer derzeit vom Bahnhof Diessenhofen in Richtung Städtchen läuft, kommt kaum am «Haus zur Gewesenen Zeit» vorbei. Es steht etwas unscheinbar an der Kreuzung, doch wer genauer hinschaut, entdeckt Fussballgeschichte. Passend zur aktuellen Fussball-Europameisterschaft der Frauen sind die Fenster dekoriert. Mit weisser Farbe sind Spielresultate auf die Scheiben geschrieben, im Hintergrund hängt ein altes rotes Trikot. Zu welchem Team es wohl gehört? Es ist das des FC Goitschel aus der Gemeinde Murgenthal im Kanton Aargau. 1963 gründeten fussballbegeisterte junge Frauen den Club – unter ihnen auch Monika Stahel. Sie gilt als eine der Pionierinnen des Schweizer Frauenfussballs, auch wenn sie das selbst nicht betonen würde.

Neben dem Stadion aufgewachsen

Einen grossen Teil ihrer Kindheit verbrachte Monika Stahel im Neuparadies, später zog sie mit ihrer Familie nach Schaffhausen. Ob sie schon als Kind vom Fussball fasziniert war, erklärt die Fussballbegeisterte: «Nein, das hat sich erst so ergeben. Wir sind in die Nähe des damaligen Fussballstadions auf der Breite gezogen. Meine Schwester und ich schauten unheimlich gerne die Spiele des FC Schaffhausen, das wurde fast zum Pflichtprogramm. Am Sonntag ins Stadion zu gehen, gehörte einfach dazu. Ein Spiel sausen zu lassen, kam für uns nicht in Frage.» Doch die Familie blieb nicht lange in Schaffhausen. Es zog sie weiter in den Kanton Aargau, genauer nach Murgenthal. Die Faszination für Fussball war geblieben. «Wir zwei wollten einfach Fussball spielen, deshalb wurde 1963 der FC Goitschel von einer Gruppe aus fussballbegeisterten Frauen gegründet», erzählt die heute 77-Jährige. Damals gab es zwar an Grümpelturnieren Frauenteams, aber keine offiziellen Clubs. «Wir hielten an den Turnieren immer Ausschau nach guten Spielerinnen, um eine möglichst starke Mannschaft zusammenzustellen», fügt sie schmunzelnd hinzu.

«Man konnte es sich nicht vorstellen» 

Der Frauenfussball war zu dieser Zeit nicht anerkannt, womit der Fussball auch heute noch zu kämpfen hat. «Bis heute müssen sich Spielerinnen Kommentare anhören, dass Frauenfussball nichts sei», sagt Monika Stahel. «Mit dem FC Goitschel wollten wir auf dem Platz Präsenz zeigen und nicht nur irgendwie mitspielen.» Und das versuchten sie zu verändern. Sie schrieben 1965 dem Schweizerischen Fussballverband mit der Bitte, eine offizielle Frauenliga einzuführen. Die Antwort war eine Absage. Man konnte sich Frauenfussball schlicht nicht vorstellen. Immerhin erhielten sie das Angebot, sich zu Schiedsrichterinnen ausbilden zu lassen. Aus der ganzen Schweiz nahmen fussballbegeisterte Frauen an dem Kurs in Olten teil, darunter auch fünf vom FC Goitschel. Gepfiffen von diesen Fünf haben jedoch nur Monika und ihre Schwester.

Sie stand als eine der ersten Frauen in der Schweiz auf dem Spielfeld und pfiff bei den Juniorenspielen. «Dass es in dieser Zeit Schiedsrichterinnen gab, ist nur wegen des FC Goitschel. Wir haben etwas vorangetrieben», erklärt Stahel rückblickend. Ob sie als Frau auf dem Platz akzeptiert wurde, meint die 77-Jährige: «Sie sind sehr sorgsam mit uns umgegangen. Ein Hineinschreien von Spielern oder Trainern gab es nicht.» Es war eine Zeit des Aufbruchs, auch wenn die Anerkennung noch fehlte. 1970 wurde in der Schweiz die Frauenliga gegründet. Für Monika Stahel war es ein Meilenstein, der vieles bestätigte, wofür sie sich eingesetzt hatte. Im selben Jahr trat der FC Goitschel als Frauenteam dem FC Aarau bei. Für Monika Stahel ging damit jedoch eine Ära zu Ende. «Ich habe noch ein Training beim FC Aarau mitgemacht, aber es war nicht mehr das Gleiche», sagt sie. «Auch mit dem Pfeifen habe ich aufgehört. Ich widmete mich anderen Dingen.»

In Erinnerungen

Heute steht Monika Stahel nicht mehr auf dem Rasen, sondern im Kostümverleih als Verleiherin im «Haus zur Gewesenen Zeit» in Diessenhofen. Der Fussball lässt sie trotzdem nicht los. Bis heute verfolgt sie die Spiele am Fernseher – die der Frauen genauso wie die der Männer. Dass die Europameisterschaft nun in der Schweiz ausgetragen wird, bedeutet ihr viel. «Es ist wichtig, dass man die Frauen sieht. Dass sie auf den grossen Plätzen spielen und nicht irgendwo auf dem Abstellplatz.»

Für Monika Stahel ist es etwas ganz Besonderes, dass die Frauen-EM in der Schweiz stattfindet. Die Spiele am Fernsehen werden von ihr fleissig mitverfolgt. Bild: Salome Zulauf, schaffhausen24
Salome Zulauf, schaffhausen24