Ruedi Vögele war einer der ersten Biobauern im Kanton. Seit vielen Jahren engagiert er sich bei Bio Zürich-Schaffhausen im Vorstand. Seit 2012 amtet er als Co-Präsident. Bis im April diesen Jahres war er zudem in der Fachgruppe Ackerbau der Bio Suisse aktiv. Da er und seine Frau den Betrieb in Neunkirch seinem Sohn übergeben haben, will er sich aber nach und nach zurückziehen. Im Interview blickt er zurück auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der biologischen Landwirtschaft.
Schaffhauser Bauer: Was hat Sie vor 23 Jahren dazu bewogen, ihren Betrieb auf biologische Produktion umzustellen?
Ruedi Vögele: Wir haben uns damals nach Alternativen zur Rindviehmast umgesehen, weil der Markt durch die BSE-Krise eingebrochen war. Wir hatten dann die Möglichkeit, für die Bio Knospe in die Schweinezucht einzusteigen und haben mit Zuchtsauen die Umstellung ergänzt. Mit der Ausdehnung der bestehenden Mutterkuhhaltung bot sich die Möglichkeit, von der Rindviehmast wegzukommen. Zentral blieb die Kombination aus Ackerbau und Tierhaltung.
Wie reagierten die Landwirte in Ihrem Umfeld auf Ihren Einstieg
in die biologische Produktion?
Vögele: Es gab im Klettgau wenige Biobetriebe, trotzdem, wir waren nicht der erste Umstellerbetrieb. Ich habe mich wenig darum gekümmert, was andere dachten. Aber ich erinnere mich, dass es im zweiten Umstellungsjahr sehr heiss und trocken war. Da haben andere Landwirte in unsere Kipper geschaut und konnten kaum glauben, dass unsere Biokartoffeln so schön geworden waren. Für uns war es damals unter anderem eine ökonomische Entscheidung. Die Nachfrage war da, Sativa in Rheinau, Terraviva und andere kamen auf uns zu und fragten, ob wir biologisches Saatgetreide und Ackerfüchte für sie produzieren könnten.
Was hat sich bei Ihnen aufgrund des biologischen Anbaus verändert?
Vögele: Wir konnten schon nach zwei, drei Jahren Veränderungen bei den Böden beobachten. Er bekam eine andere Struktur, wurde lebendiger und liess sich besser bearbeiten. Da wir die Kunstwiese für die Mutterkuhhaltung in die Fruchtfolge integrieren konnten und nur mit Hofdüngern arbeiteten, stieg auch die Speicherfähigkeit für Wasser. Das lies sich schon im sehr trockenen Sommer 2003 beobachten. Anfangs hatte ich noch Sorge, dass es im Getreide viel Unkraut gibt, vor allem Kleber, aber die Angst war unbegründet. Es hat wirklich sehr gut funktioniert. Die Erträge waren zwar etwas niedriger, aber dafür lösten wir fast den doppelten Preis.
Wie stehen Sie heute zu synthetischen Pflanzenschutzmitteln und Kunstdünger?
Vögele: Die Spritzmittelbestellung im Frühjahr war früher immer eine Herausforderung, verbunden mit hohen Ausgaben. Da wir weniger Stickstoff zugeben, gedeiht heute auch das Unkraut viel weniger. Die mechanische Unkrautbekämpfung funktioniert in der Regel mit relativ wenig Aufwand sehr gut. Ab und zu muss man von Hand nachjäten, aber das ist eher selten. Selbst mit den Blacken haben wir uns arrangiert. Durch den dichteren Pflanzenbestand in den Naturwiesen kommen sie viel weniger zum Zug.
Wie ist der Zusammenhalt unter den Biobauern?
Vögele: Da wir wenige waren und vieles anfangs noch neu war, haben wir einen regen Austausch untereinander gepflegt, jeder half dem anderen und gab seine Erfahrungen weiter. Auch heute ist der Austausch unter Biobauern durch Arbeitskreise und persönliche Kontakte sehr gut. Im konventionellen Anbau kannte ich das nicht. Keiner hat dem anderen etwas über seine Methoden und Tricks weitererzählt. Vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl) gibt es hervorragende Merkblätter und die Bioberatung bietet Arbeitskreise zu spannenden Themen an. Ich war zum Beispiel lange im Arbeitskreis Homoöpathie und nahm interessante Anregungen und viel Wissen mit.
Sie haben aus wirtschaftlichen Gründen auf Bio umgestellt – wie sehen Sie den Biolandbau heute?
Vögele: Heute denke ich, ich hätte den Betrieb besser schon fünf Jahre früher umgestellt und stehe nach wie vor voll und ganz hinter dem Biolandbau. Bio ist heute keine Nische mehr und mit einem 18 Prozent Anteil an der Agrarfläche ein fester Bestandteil der schweizerischen Agrarwirtschaft. Wir müssen aber unsere Mehrwerte immer wieder aufzeigen. Der Druck auf die Preise ist gestiegen und wir müssen uns um den Markt bemühen. Migros zum Beispiel hat Biofleisch gepusht und dann die Abnahmemengen zurückgefahren. Nur weil die Schweineproduzenten die Mengen reduziert haben, ist es gelungen, die Preise zu halten. Das Gute an der Bioszene ist, dass miteinander geredet wird und die Mehrheit das grosse Ganze im Auge behält anstatt nur an sich zu denken.
Was macht der Bio-Bauer anders oder besser als ein konventioneller Bewirtschafter?
Vögele: Wir versuchen, mit der Natur und ihren Kreisläufen zu arbeiten und das natürliche Gleichgewicht zu unterstützen. Jeder Schädling hat einen Gegenspieler, wir fördern das Gleichgewicht. Es gibt auch kein Unkraut. Der Boden schützt sich gegen Erosion durch Pflanzenwuchs, sobald dieser Schutz durch Kulturpflanzen fehlt, übernehmen die Beikräuter diese Funktion. Man lernt beobachten und seine Böden und Kulturen immer bessser kennen. Und es braucht Offenheit, etwas zu ändern, wenn es nicht funktioniert. Bei vielen konventionell wirtschaftenden Landwirten habe ich persönlich den Eindruck, die Zeit um ihre Kulturen zu beobachten, ist gar nicht mehr vorhanden.
Was sagen Sie zum Argument, dass die Bio-Erträge zu gering sind, um die Menschheit zu ernähren?
Vögele: Der Welternährungsbericht der UNO und der Weltbank aus dem Jahr 2009 hat eine Wende gefordert und aufgezeigt, dass die langfristige Zukunft der Ernährung mit Biolandbau gesichert werden kann. Aber die Ernährung müsste sich anpassen z. B. beim Fleisch, damit die Böden für die Produktion von Nahrungsmitteln für die Menschen zur Verfügung stünden. Die industrielle Intensivlandwirtschaft reduziert mittel- und langfristig die Bodenfruchtbarkeit. Die Intensivlandwirtschaft ist in der Tierhaltung auf den Import von Futtermitteln angewiesen, wodurch der in der Bilanz ausgewiesene Inlandsanteil eigentlich nicht korrekt dargestellt ist.
Wie sehen Sie die Zukunft der Biolandwirtschaft?
Vögele: Es gibt noch immer Produkte-
gruppen, bei denen die Nachfrage grösser ist als die Inlandproduktion, zum Beispiel bei Brotweizen, Hafer, Hirse oder auch Linsen. Der heute steigende Bioanteil erfolgt oftmals über Importprodukte, hier sind die Herausforderungen gleich wie in der nichtbiologischen Nahrungsmittelproduktion. Den Abnehmern ist oft nicht klar, dass ein Landwirt nicht nur einzelne Kulturen biologisch anbauen kann, die gerade gesucht sind, sondern seinen ganzen Betrieb umstellen muss. Wer biologisches Brotgetreide verarbeiten möchte, muss also auch tierische Produkte und andere Kulturen übernehmen und als Bio vermarkten. Was die Inflation anbelangt: Wenn das Einkommen knapper wird kommt es auf die Prioritäten an, die man setzt. Sind es die Ferien und Freizeitangebote oder ist es eine gesunde, nachhaltige und ökologische Ernährung? Letztendlich entscheidet der Konsument, ob der Biomarkt weiter wächst.