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Gesellschaft
27.08.2025

Weizenfrust statt Brotduft

Martin Bächtold einen Tag vor der Ernte in seinem Weizenfeld. Von blossem Auge ist der Auswuchs in den Ähren nicht zu erkennen – doch die Erfahrung zeigt es ihm.
Martin Bächtold einen Tag vor der Ernte in seinem Weizenfeld. Von blossem Auge ist der Auswuchs in den Ähren nicht zu erkennen – doch die Erfahrung zeigt es ihm. Bild: Nici Peter
Die Weizenernte 2025 wurde für viele zum Rennen gegen Regen und Zeit. Landwirt Martin Bächtold erlebte, wie sein Brotweizen auswuchs und Pilzbefall drohte – und am Ende nur noch Tierfutter daraus wurde. Der Ertragswert sank um fast ein Drittel.

«Es könnte eine knappe Kiste werden», sagt Martin Bächtold aus Schleitheim, als er Anfang August in seinem Weizenfeld steht. Die Sonne wärmt die noch feuchten Halme, während er eine Ähre abbricht und zwischen den Händen verreibt. Goldene Körner fallen heraus – und bei einigen schiebt sich eine zarte, grüne Spitze nach aussen. «Die keimen schon.» Ein paar Meter weiter zieht er eine zweite Probe. Die Körner sind fest, ohne Austrieb, aber mit einem leichten rötlichen Schimmer. «Das könnte Mykotoxin sein», murmelt er. Pilzverdacht. Noch ist nicht klar, wie gravierend die Schäden sind. Doch die keimenden Körner zeigen ihm: Jetzt ist höchste Zeit zu ernten.

Drei Wochen Regen statt Ernte

Eigentlich hätte die Ernte – oder genauer: das Dreschen – Mitte Juli beginnen sollen. «Als ich vor drei Wochen loslegen wollte, standen die Ähren noch nach oben. Das ist ein Zeichen, dass sie noch nicht ganz reif sind. Ich wollte ihnen noch eine Woche geben.» Niemand konnte ahnen, dass es danach fast ununterbrochen regnen würde. Weizen muss trocken sein, wenn er geerntet wird, die wenigen trockenen Stunden im Juli reichten nicht aus. Erst Anfang August brachte eine stabile Hochdrucklage Sonnenschein. Bächtold wartete drei weitere Tage, bis Boden und Pflanzen abgetrocknet waren. «Jeden Tag habe ich eine Ähre abgebrochen, die Körner herausgeholt, geprüft. Dann war klar: Jetzt oder nie.»

Der Mähdrescher rückt an

Einen eigenen Mähdrescher besitzt Bächtold nicht. Die grossen, fast vier Meter hohen Maschinen gehören meist Lohnunternehmern. Mit klimatisiertem Fahrerhaus ruckelt die Maschine mit vier bis fünf Kilometern pro Stunde über das Weizenfeld. Einmal hin, wenden, zurück. Aus der Kabine sieht man viel: kahle Stellen, wo der Weizen dünn gewachsen ist, und Mulden, in denen sich im Winter Wildschweine gewälzt haben. Für die rund zwei Hektar brauchte der Mähdrescher eineinhalb Stunden. Zurück bleibt nur das Stroh – das Bächtold verkauft, weil er keine Tiere hält, die es als Einstreu brauchen.

Die Stunde der Wahrheit

Mit dem Traktor und zwei Anhängern fährt Bächtold die Ernte nach Gächlingen zum GVS. Dort kennt man seine Flächen,  da er im Herbst zuvor dort das Saatgut geholt hat. Es wird zuerst eine Probe der Weizenkörner genommen. Im Labor werden Fallzahl, Feuchtigkeitsgehalt und Pilzbelastung gemessen. Die Fallzahl ist ein Indikator für die Backfähigkeit: Je stärker die Körner bereits gekeimt haben, desto niedriger ist sie. Brotweizen liegt in der Regel bei 250–300 Sekunden. Unter 220 Sekunden gilt er als ausgewachsen – das Mehl daraus macht den Teig klebrig, das Brot flach und speckig. Für die Bäckerei ist solches Getreide nahezu wertlos. «Als das Resultat von 61 kam, war klar: Tierfutter», sagt Bächtold. Der Marktwert fiel damit von rund 60 Franken pro 100 Kilogramm auf knapp 38 Franken. Bei seiner Menge bedeutet dies viel Geld, was nun in der Hofkasse fehlt. 

Kein Einzelfall

Die nassen Wochen im Juli haben im ganzen Kanton Spuren hinterlassen. Viele Felder litten unter Auswuchs, teilweise sank die Qualität sogar noch weiter in den Futterbereich. Die Erträge pro Hektar lagen in Schaffhausen leicht unter dem Vorjahresdurchschnitt, vor allem wegen Feuchtigkeitsschäden.

Arbeiten mit der Natur

Seit November hatte Bächtold den Weizen gepflegt: gesät, zweimal gedüngt, gegen Unkraut und Pilzbefall gespritzt. Nun liegt die Ernte als Futterweizen in den Silos. «Wir arbeiten mit der Natur», sagt er nüchtern. «Da kann so etwas passieren.» Ärgern bringt ihn nicht weiter. «Morgen pflüge ich das leere Feld, dann kommt die nächste Kultur. Hoffentlich mit mehr Erfolg.» Was leicht vergessen geht: Ohne Landwirt kein Weizen – und ohne Weizen kein Brot. Zwischen Acker und Bäckerei liegen Monate harter Arbeit – und manchmal nur ein paar Tage, in denen sich entscheidet, ob diese Arbeit belohnt wird.

Schaffhauser Bauer, Nico Peter