«An guten Tagen kann es durchaus vorkommen, dass ich zwei- bis dreitausend Liter Süssmost produziere», sagt Kurt Hablützel, Inhaber des Landwirtschaftsbetriebs «Weinbau & Mosterei Kurt Hablützel» während er den Gabelstapler startet und eine Lieferung Äpfel in den Container wirft. Das Mostobst in der Kiste erleuchtet in Rot- und Grüntönen, noch leicht nass vom Regen der vergangenen Nacht. Mit seinen gelben Handschuhen begutachtet der gelernte Winzer jeden Apfel, der über das Förderband läuft. «Bei mir kommt kein Apfel in die Mostpresse, ohne dass ich ihn vorher kurz in den Händen hatte», fügt er schmunzelnd hinzu. Der süssliche Duft von Äpfeln liegt in der Luft, während im Hintergrund die Maschine zu hören ist, die gerade Gala-Äpfel in den goldenen Most presst. Kurt Hablützel zeigt auf das Ende des Förderbands: «Hier wird das Mostobst gereinigt, bevor es zu einer groben Maische zerkleinert wird.» Anschliessend kommt die verkleinerte Masse in die Presse. Ein membranartiges Sieb drückt auf die Maische, trennt den Saft von den festen Bestandteilen und lässt den flüssigen Goldton hervorquellen. «In diesem Container wird der frisch gepresste Apfelsaft einige Stunden gelagert, bis er in die Flaschen nebenan abgefüllt wird», erklärt der Landwirt und zeigt auf den silbernen Behälter. «Von dort aus gelangt der Süssmost in unseren Hofladen oder direkt in die regionalen Dorfläden.»
Winzer seit eh und je
Seit gut 40 Jahren ist Kurt Hablützel im Betrieb tätig, den er vor einigen Jahren von seinem Vater übernommen hat. «Meine Familie war schon immer in der Winzer- und Mostbranche tätig. Mein Onkel begann noch vor dem Zweiten Weltkrieg mit dem Pasteurisieren, worauf 1945 mein Vater sich dann die erste eigene Presse anschaffte», erzählt Kurt Hablützel und zeigt auf ein altes Foto an der Wand. «Die Presse stammte aus Schaffhausen von der Firma Rauschenbach.» 1985 begann Kurt selbst im Betrieb zu arbeiten und entdeckte die Faszination für die Landwirtschaft. Unter dem Jahr arbeitet er vor allem als Winzer, in den Herbstmonaten schlüpft er dann in die Rolle des Mosters, verarbeitet kiloweise Mostobst und betreut Kundenernten direkt vor Ort. Unterstützung erhält er von Verwandten, die in den intensiven Monaten mithelfen. «Mein Vater hat sich damals auf Mosterei und auf den Rebbau spezialisiert, daher kam auch meine Leidenschaft dafür», sagt Kurt Hablützel.
Saison für Saison
Die aktuelle Saison verläuft laut Kurt Hablützel durchschnittlich, wobei man bemerken muss, dass diese erst begonnen hat. «In den letzten Jahren gab es durchaus schwache Ernten, besonders was die Mostäpfel betrifft.» Seit diesem Jahr sieht es so aus, als ob sich die Ernten wieder etwas ausgeglichen haben, denn laut dem Winzer gab es in den letzten Jahren immer wieder Jahre, die etwas schwach waren. Schwierige Jahre gehören schon fast zur Tradition dazu: 1985 gab es einen Winterfrost von bis zu minus 25 Grad, seit 2016 treten vermehrt Frühlingsfröste auf, die die Blüten zerstören, aber auch Trockenperioden setzen dem Mostobst zu. Auf die Frage nach Veränderungen im Konsumverhalten antwortet Kurt Hablützel: «Generell hat sich nicht sehr viel geändert. Was ich jedoch merke, ist, dass die Ernährungs- und Gesundheitsindustrie seit einigen Jahren gegen Fruchtzucker argumentiert. Der Süssmost enthält relativ viel Fruchtzucker, weshalb einige Personen darauf verzichten. So wird im Vergleich zu den 90er-Jahren weniger gemostet.»
Freude an der Arbeit im Chläggi
Was dem Winzer bei seiner Arbeit besonders viel Freude bereitet, erklärt er: «Wenn ich Besucher hier habe, die völlig fasziniert von der Landschaft rund um Wilchingen und dem Chläggi sind, wird mir erst bewusst, wie privilegiert ich bin. Ich darf hier in meiner Heimat, wo ich aufgewachsen bin, meinen Lebensunterhalt verdienen.» Wer den Betrieb einmal übernehmen wird, ist noch unklar. Was aber feststeht: Kurt Hablützel wird noch einige Jahre in der Landwirtschaft tätig bleiben – als Winzer, Moster und Bewahrer einer Familientradition, die den Herbst in Wilchingen jedes Jahr ein kleines bisschen süsser macht.