Im Kanton Schaffhausen beginnt die Weinlese. Die Riesling-Silvaner-Trauben sind reif, aber das Wetter macht Druck. «Die Trauben wären vor zwei Tagen perfekt gewesen, aber es regnete. Jetzt zählt jede Minute, sonst verfaulen sie», erklärt Lukas Bringolf, während er mit seinem Team die Ernte organisiert. Die Lese dauert etwa einen Monat auf seinem Betrieb. Mal länger, mal kürzer – je nach Wetter. Besonders heikel sind Sorten wie der Riesling-Silvaner, der empfindlich auf Nässe reagiert. Auch die Kirschessigfliege macht Probleme: «Die Cabernet Dorsa hat eine dünne Haut. Diese Sorte ist schnell befallen», sagt Bringolf. Noch nicht ausgereifte Trauben besprüht er mit einem Tonerdepräparat. «So gewinnen wir Zeit, bis sich die Bedingungen verbessern. Ein Insektizid wäre die Notlösung, aber das ist wegen der Wartefristen kurz vor der Ernte sehr riskant.» Das Timing ist entscheidend. «Es steht und fällt alles mit dem Reifegrad. Den richtigen Moment zu treffen, ist nicht ganz so einfach.»
Teamarbeit beim Herbsten
Anfang September hat Bringolf mit der Lese begonnen. Die Trauben werden von Hand geschnitten, schlechte Beeren aussortiert. Maschinen kommen (noch) nicht zum Einsatz. «Wir haben ein treues Team, das jedes Jahr wiederkommt. Die gemeinsame Arbeit, Kaffee am Morgen, ein einfaches Mittagessen und am Abend ein Glas Wein – das ist ein wichtiger Teil des Herbstens.» Bei Regen wird nicht geerntet. «Sonst verwässert der Saft.» Auch wenn Bringolf den Einsatz von Erntemaschinen für die Zukunft nicht ausschliesst, setzt er auf Sorgfalt: «In Jahren wie diesem ist das selektive Lesen per Hand unerlässlich.»
Vom Rebstock in den Keller
Die gesunden Trauben landen in Standen und werden mit dem Traktor in die Kellerei gebracht. Dort erfolgt das Wiegen, das Abbeeren und die Kontrolle des Oechslegrads. Nach einer kurzen Standzeit wird die Maische gepresst. Nur der klare Most wird weiterverarbeitet. Beim Weisswein erfolgt die Gärung in Stahltanks bei 15 Grad. Zwei bis drei Wochen dauert der Prozess. Beim Rotwein bleibt die Maische mit Schalen und Kernen zusammen. «Die Kerne können bitter werden, wenn sie zu lange drin liegen. Darum probieren wir täglich», so Bringolf. Auch der pH-Wert und die Gesamtsäure werden gemessen – wichtige Indikatoren für Reife und Qualität. Bis der Wein in den Verkauf kommt, dauert es beim Weisswein gute sechs Monate, beim Rotwein – je nach Sorte – sogar bis zu einem Jahr.
Spezialitäten aus Hallau
Das Hallauer Rebbaugebiet bietet mit seinen Lagen und Böden ideale Voraussetzungen für verschiedene Sorten. Bringolf setzte früh auf Spezialitäten: Muscaris, eine pilzwiderstandsfähige PIWI-Sorte, und Scheurebe, eine robuste Rebsorte mit markantem Charakter. «Die Scheurebe hat schnell viele Liebhaber gefunden. Ich war der erste im Kanton, der sie anbaute.» Muscaris hingegen verlangt Geduld: «Diese Sorte diente dazu, um erste Erfahrungen mit PIWI zu sammeln. Kein Selbstläufer, aber Spezialitäten brauchen oft bis zu zehn Jahre, bis sie sich etabliert haben.»
Das Weinmobil als Treffpunkt
Was in der Pandemie entstand, ist heute fester Bestandteil der Direktvermarktung: das Weinmobil von Familie Bringolf. Vom 1. Mai bis Anfang Juli steht es an den Wochenenden oberhalb der Bergkirche in Hallau. Die Idee kam kurz vor Corona. «Während der Pandemie durfte der Takeaway-Stand geöffnet bleiben. Für viele Gäste war das ein Treffpunkt – und für uns ein Glücksfall», erzählt er. Auch nach der Pandemie ist die Nachfrage geblieben. Das Weinmobil zieht nicht nur lokale Gäste an, sogar Besucher aus Deutschland kommen vorbei. Im Herbst wird das Räbhüüsli geöffnet, beim Herbstsonntag in Hallau wird ausgeschenkt, und im Oktober kehrt das Weinmobil nochmals zurück. «Unser Ziel war immer: Wenn jemand durch die Reben spaziert, soll er auch ein Glas Wein trinken können», sagt Bringolf mit einem Schmunzeln.
Landwirt und Weintechnologe
Lukas Bringolf übernahm 2015 den elterlichen Rebbaubetrieb. Die Eltern hatten die Trauben jeweils verkauft – eigenen Wein produzierten sie nicht. Bringolf lernte Landwirt und liess sich zum Weintechnologen ausbilden. Er startete mit rund zwei Hektaren und wollte von Anfang an selbst ausbauen und vermarkten. Heute bewirtschaftet er über fünf Hektaren gemeinsam mit einem befreundeten Winzer. 2023 richteten sie gemeinsam eine Kellerei ein. «Allein wäre das wirtschaftlich nicht möglich gewesen. Aber gemeinsam funktioniert es sehr gut. Jeder vinifiziert seinen eigenen Wein; die Kellerarbeit ist klar geregelt.» Für Bringolf war die eigene Kellerei ein grosser Schritt. «Gerade in einer Zeit, in der viele Produzenten Absatzprobleme haben, ist das ein Vorteil. Wir haben den Schritt zum richtigen Zeitpunkt gemacht.»
Nähe zur Kundschaft
Direkter Kontakt mit den Kunden an ihren Events ist für Bringolf zentral und schafft Vertrauen und Bindung. «Wir haben eine sehr loyale Kundschaft, viele kommen regelmässig zu unseren Anlässen.» Besonders erfreulich: Das wachsende Interesse bei jungen Weinliebhabern. «Sie konsumieren bewusster, kaufen gezielt – und kommen wieder. Das stimmt mich positiv.»
Zwei Sorten sicher im Keller
Im Keller läuft alles auf Hochtouren: Entbeerungsmaschine, Pumpe, Presse – mehrere Maschinen sind gleichzeitig im Einsatz. Dazwischen wird von Hand gesteuert, verschoben und gewogen. Bestimmt wird auch der Oechslegrad. Der geherbstete Riesling-Sylvaner hatte 74, der Cabernet Dorsa 84 Oechslegrad – beides hervorragende Resultate. Insgesamt an die 4,5 Tonnen Trauben hat das Team rund um Bringolf Weine an einem Tag geerntet und etwa 3300 Liter Traubensaft in die Tanks abgefüllt. «Egal was kommt, die beiden Sorten haben wir auf sicher im Keller», sagt Bringolf erleichtert und auch stolz.