Er kennt beide Seiten. Jene der Landwirtinnen und Landwirte, die sich wegen Wildschäden über die Jäger und Jägerinnen ärgern. Und jene der Jäger und Jägerinnen, die sich darüber enervieren, dass die Landwirtinnen und Landwirte nicht mehr präventive Massnahmen ergreifen, um ebensolche Schäden zu verhindern.
Lukas Fuchs betreibt einen Landwirtschaftsbetrieb in Altdorf, ist Pächter in Hemmental – und im Revier Lohn/Opfertshofen ist er Jagdaufseher. Wie viele Wildschäden er in diesem Jahr in seinen Maisfeldern zu verzeichnen hat? «Keine», sagt er. Der Jägerschaft im Revier in Deutschland, wo einige von Fuchs’ Feldern stehen, windet er ein Kränzchen: «Das sind aktive, engagierte Leute.» Mindestens einmal pro Woche überfliegen sie die Felder mit Drohnen. Und sollten sich doch vereinzelte Schäden ausmachen lassen oder eine Rotte Wildschweine zeigen, werden die Jäger und Jägerinnen gleich aktiv. Sprich: Sie platzieren sich auf Hochsitzen in der Nähe der betreffenden Felder und erlegen die Tiere. Beziehungsweise: eines reicht in aller Regel schon. Denn Wildschweine sind schlau. Merken sie, dass ein Platz für sie nicht sicher ist, suchen sie ihn nicht mehr auf.
Zäune alleine sind nicht die Lösung
Die Abschreckung ist auch die Idee dahinter, Kulturen (nicht nur Mais) zu umzäunen. Eine Idee, welche die Jägerschaft immer wieder vorbringe. Ja, natürlich scheine das auf den ersten Blick die einfachste Variante zu sein, so Fuchs. Auf den Zweiten und Dritten allerdings nicht mehr. «Man muss ja nicht einfach den Zaun aufstellen und ihn nach der Ernte wieder abräumen», erklärt der Landwirt und Jäger. Die Anlagen müssen das ganze Jahr hindurch gepflegt und überwacht werden. Wird die Stromzufuhr durch irgendetwas unterbrochen, merken das die schlauen Tiere schnell – der abschreckende Effekt ist dahin.
Und noch etwas kann problematisch sein: Ältere, erfahrene Wildschweine wissen, dass sie sich aus dem Staub machen müssen, wenn’s zwickt. Und zwar weg vom Feld. Die jüngeren Exemplare können allerdings reflexartig in die gegenteilige Richtung springen. Heisst: Sie sind dann im Feld eingesperrt; die suboptimalste Ausgangslage überhaupt. Denn an Futter und Wasser mangelt es ihnen insbesondere im Mais nicht, sie können sich wunderbar von innen nach aussen durcharbeiten und damit einen Riesenschaden anrichten.
Der «Gummiartikel» hilft ganz und gar nicht
Fuchs bemängelt ausserdem den «Gummiartikel», wie er ihn nennt, im kantonalen Jagdgesetz. Dort heisst es zwar: «Schäden, die jagdbare Tiere an Wald, landwirtschaftlichen Kulturen und Nutztieren anrichten, sind von den Jagdgesellschaften angemessen zu entschädigen.» Es heisst aber auch: «Die Entschädigung entfällt, wenn die Geschädigten die ihnen zumutbaren Verhütungsmassnahmen unterlassen oder getroffene Schutzvorkehren nicht ordnungsgemäss unterhalten haben.» Was das genau bedeutet, wird offengelassen – schwammig, oder eben gummig. Das zu konkretisieren wäre ein Schritt in die richtige Richtung, findet Fuchs. Denn was die Erwartung ist, wird nicht klar. «Wenn das beispielsweise heissen soll, dass auch Weizenfelder wie gefordert geschützt werden müssten, wäre der halbe Kanton eingezäunt.» Das sei nicht praktikabel. Wichtig wäre Fuchs, dass die Landwirtinnen und Landwirte genau wissen, welche Kulturen sie schützen müssen (eben mit einem Zaun o.ä.) und die Jäger und Jägerinnen genau wissen, wann sie zahlen müssen. Damit würden Unstimmigkeiten vermieden.
Entschädigung deckt nicht alles ab
Die Entschädigungszahlungen tragen je hälftig der Kanton und die Jagdgesellschaften. Die Gesellschaften zahlen zehn Prozent von der Jagdpacht, welche die Gemeinden erhalten, zusätzlich in den Fond ein vom Kanton. Bei den jetzigen Schadenssummen, so Fuchs, decke dies den gesamten Anteil vom Kanton. In der kantonalen Jagdstatistik, in der die Zahlen vom 1. April 2024 bis 31. März 2025 erhoben sind, ist nachzulesen, dass die Jagdgesellschaften 31 882.35 Franken an die Wildschäden entrichtet haben, der Kanton 32 062.35. Das ist zwar mehr als im Vorjahr (27 981.50 Franken und 28 176.50 Franken) – deckt aber immer noch längst nicht alle Schäden ab, die an landwirtschaftlichen Kulturen auf Schaffhauser Boden entstanden sind. Denn eben: Kommt die Schätzungskommission für Wildschäden zum Schluss, dass ein Landwirt «die ihm zumutbaren Verhütungsmassnahmen unterlassen oder getroffene Schutzvorkehren nicht ordnungsgemäss unterhalten hat», kann sie einen Schadensersatz ganz oder teilweise ablehnen.
Mehr Absprachen würden helfen
Fuchs ist nun aber eben nicht «nur» Landwirt, sondern auch Jäger. Er weiss, welch grosser Aufwand damit verbunden ist, wenn man das Hobby (oder eher Ehrenamt) gewissenhaft ausführen will. Für Drohnenflüge braucht es nicht nur Equipment, sondern auch Zeit. Ebenso, wenn Wildtierkameras aufgestellt werden, um Felder im Auge zu behalten – das Material muss gesichtet werden. Ganz zu Schweigen von der Zeit die man, in aller Regel mitten in der Nacht, ansitzend verbringt und darauf wartet, dass sich die Wildschweine zeigen. «Es muss in der DNA eines Jägers liegen, dass er das will.»
Der Altdorfer ist überzeugt: Mehr Kommunikation würde helfen; mehr Miteinander statt Gegeneinander. In einigen Revieren funktioniere die Zusammenarbeit von Jäger- und Landwirtschaft gut. In anderen weniger. Dabei wäre das – genau wie das gegenseitige Verständnis - essenziell. Die Landwirtinnen und Landwirte müssten melden, wenn sie Wild sichten – man kann bei allem Engagement nicht erwarten, dass Jäger und Jägerinnen jeden Tag ihr ganzes Revier überprüfen. Sie sind auf solche Meldungen angewiesen. Sie wiederum müssten dann auch entsprechend reagieren und sich der Problematik annehmen. Und sich mit benachbarten Jagdgesellschaften absprechen. Denn so schlau Wildschweine sind; an Reviergrenzen halten sie sich nicht. Kommt eine Rotte aus dem Wald der einen Gesellschaft, tobt sich aber im Mais auf dem Gebiet einer anderen aus, braucht es Absprachen. Mehr Kommunikation für weniger Wildschäden wäre also Fuchs’ Vorschlag. Und eine Konkretisierung des kantonalen Jagdgesetzes.