Home Region Sport Schweiz/Ausland Magazin Agenda
Gesundheit
22.10.2025

Expertin und Experte aus Erfahrung

Nadja Stocker schreibt im «Bock» in regelmässigen Abständen Ratgeberkolumnen für das Blaue Kreuz.
Nadja Stocker schreibt im «Bock» in regelmässigen Abständen Ratgeberkolumnen für das Blaue Kreuz. Bild: zVg.
Die Ratgeberkolumne des Blauen Kreuzes.

In der Suchthilfe sind Peers längst etabliert: Menschen, die selbst mit einer psychischen Erkrankung oder Sucht gelebt haben, geben ihre Erfahrung an Betroffene weiter. Ihre Worte tragen Gewicht, weil sie nicht nur aus Lehrbüchern, sondern aus dem eigenen Leben schöpfen. Sie sind Expertinnen und Experten aus Erfahrung. In der Arbeit mit Angehörigen von Menschen mit Alkoholabhängigkeit besteht diesbezüglich noch ungenutztes Potential. Dabei wäre der Bedarf da. Angehörige sind eine besonders verletzliche Gruppe. Sie tragen Schuld- und Schamgefühle, kämpfen mit sozialer Isolation, finanziellen Sorgen und zerrütteten Familienrollen. Lange Zeit blieben sie unsichtbar, weil die Aufmerksamkeit fast ausschliesslich auf der suchtkranken Person lag. Erst in den letzten Jahren rückte ihr Leid stärker ins Bewusstsein der Fachwelt. Gerade hier können Peers eine Brücke schlagen. Wer selbst mit einem alkoholabhängigen Partner, Elternteil oder Kind gelebt hat, weiss um die quälende Ambivalenz zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Ein solches Erfahrungswissen vermittelt Nähe und Glaubwürdigkeit, die professionelle Beratung allein oft nicht erreicht. Studien zeigen: Der Austausch mit Peers entlastet, gibt Hoffnung und erleichtert den Zugang zu professioneller Hilfe. Peers sind mehr als Begleiter – sie sind Rollenmodelle. Sie zeigen, dass ein konstruktiver Umgang mit einer schwierigen Lebensrealität möglich ist. Für die Suchthilfe bedeutet das: Angehörigenarbeit muss systematisch auch Peer-Arbeit werden. Nur so lassen sich Ressourcen nutzen, die lange verborgen blieben – zum Wohle derer, die oft im Schatten stehen. Während meiner Arbeit lerne ich immer wieder starke und beeindruckende Personen kennen, die eine Fülle an Erfahrung mit einer Alkoholabhängigen Person gemacht haben. Die sich reflektieren und intensiv an sich gearbeitet haben. Sie verfügen über Wissen und Erfahrung, die ich als Fachperson mit noch so viel Literatur und Weiterbildung nicht erlangen werde. Daher liegt es auch an uns Fachpersonen, diese Menschen zu vernetzen und ihnen einen Raum zu geben, um sich austauschen zu können.

Schaffhausen24, Originalmeldung Nadja Stocker.