Home Region Sport Schweiz/Ausland Magazin Agenda
Kanton
11.11.2025

Im Takt des Schunkel-Schritts

Die Rhy-Gusler an der letzten Fasnacht in Schaffhausen.
Die Rhy-Gusler an der letzten Fasnacht in Schaffhausen. Bild: zVg.
Wenn am kommenden Samstag die Guggen Chilbi den Fronwagplatz in Schaffhausen in eine laute Festmeile verwandelt, steht auch die Guggenmusik «Rhy-Gusler» auf dem Platz. Adrian Mamedow und Patrick Holzer, langjährige Mitglieder geben einen Einblick in ihr Leben zwischen Proben, Auftritten und Fasnachtsfieber.

Freitagabend, kurz vor 20 Uhr, in den Proberäumen der Schaffhauser Guggenmusik «Rhy-Gusler». Was früher alte Industriehallen waren, dienen heute als Treffpunkt für die rund 40 aktiven Mitglieder des Vereins. Nach und nach füllt sich der Raum, Instrumente werden ausgepackt, kurze Begrüssungen ausgetauscht, bevor die Probe beginnt.

Mitten unter ihnen: Adrian Mamedow, Tourmanager der «Rhy-Gusler», sowie Patrick Holzer, ehemaliger Präsident und weiterhin aktives Mitglied. Beide engagieren sich seit vielen Jahren für den Verein und gehören längst zum festen Kern der Gruppe. «Ich bin eigentlich mit den Rhy-Guslern aufgewachsen», erzählt Adrian Mamedow. «Meine Eltern spielten schon damals in der Guggenmusik und heute wieder. Ich war quasi das erste Gusler-Baby.» In der Jugend habe er sich etwas entfernt, erzählt er weiter. «Da hatte ich andere Interessen, spielte Posaune im Musikverein und war kurzzeitig bei einer anderen Gugge.» 2019 fand er schliesslich zurück zu den Rhy-Guslern und blieb.

Auch Patrick Holzer ist seit vielen Jahren dabei. «Seit 2011 bin ich hier, davon war ich zwölf Jahre Präsident, dieses Jahr habe ich das Amt abgegeben», erzählt er. Trotzdem steht Patrick Holzer weiterhin mit vollem Engagement auf der Bühne. «Ich spiele seit eh und je Schlagzeug, bei uns nennen wir das ‹Chuchi›, weil wir auf verschieden grossen Platten spielen, die ein bisschen an eine Küche erinnern», sagt Patrick Holzer schmunzelnd. Zu den Rhy-Guslern kam er einst, weil er sich musikalisch weiterentwickeln wollte.

Wer mitmachen will, ist willkommen

Beim Verein können alle mitmachen, die Freude an Musik haben, mindestens 18 Jahre alt und bereit sind, sich auch aktiv einzubringen. Die Altersdurchmischung ist gross: von jungen Erwachsenen bis zu Mitgliedern um die 60 Jahre. Einige sind zwar noch Teil des Vereinslebens, aber nicht mehr aktiv spielend dabei. «Wir haben sogar ein paar Kinder, da beispielsweise die Eltern auch im Verein sind oder sozusagen einen Götti oder ein Gotti haben, dann geht das auch», so der Tourmanager.

Die Probesaison startet jeweils im August oder September, einmal wöchentlich wird für zwei Stunden geübt, damit jedes Jahr ein paar neue Stücke ins Repertoire kommen. Welche es dieses Jahr sind, bleibt jedoch noch ein Geheimnis. Richtig los geht die Saison für die Rhy-Gusler traditionell am 11. November. Der erste grosse Auftritt folgt jeweils an der Guggen-Chilbi in Schaffhausen, welche dieses Jahr am 15. November stattfindet. Danach stehen unterschiedliche Veranstaltungen auf dem Programm. «Je nachdem wo wir gebucht werden, reisen wir an die verschiedensten Orte in der Schweiz. Jetzt steht dann bald ein Auftritt in Basel an», ergänzt Adrian Mamedow.

«Guggenmusik ist mehr als eine Tradition, sie lebt von den personen, die dahinterstehen.»
Patrick Holzer, Ehrepräsident und seit 2011 bei den Rhy-Gusler dabei.

Kostüme und «Grinde»

Ein grosser Bestandteil der Guggenmusik sind nebst der Musik, die Kostüme und Masken, auch «Grinde» genannt. «Früher machten wir jedes Jahr neue Kostüme, das war sehr aufwändig, da wir alles selber machen», erklärt Patrick Holzer. «Deshalb ist es seit einigen Jahren so, dass alle zwei Jahre neue Kostüme nähen und neue Masken machen.» Dieses Jahr heisst das Motto zum zweiten Mal: «Vorhang auf für Rhy-Guslers Horror Zirkus». «Wir planen das Motto jeweils ein Jahr im Voraus, damit genügend Zeit fürs Nähen bleibt», erklärt Patrick Holzer. «Es gibt zuerst einen Prototyp, dann nähen wir die Kostüme gemeinsam. Wir haben eine Kostümbildnerin und einen Maskenbauer im Verein, die uns unterstützen.» Die Masken werden anschliessend selbst gegossen. «Der Aufwand ist relativ gross», ergänzt der ehemalige Präsident der Rhy-Gusler. «Wichtig ist: Jedes Mitglied ist für sein eigenes Kostüm verantwortlich. Das Material stellt der Verein zur Verfügung.» Ob es ein Wiedererkennungsmerkmal der Rhy-Gusler gibt, meint Adrian Mamedow ohne zu zögern: «Ja, ganz klar. Und zwar einerseits die Maske. Früher gab es rund acht Guggenmusiken in der Stadt, heute nur noch drei. Und wir sind die Einzigen, die eine vollständige Maske tragen, die das ganze Gesicht abdeckt.» Andererseits gehört auch die eher düstere Optik mit viel Schwarz zum typischen Erscheinungsbild der Rhy-Gusler. «Mit dem letzten und diesjährigen Kostüm wollten wir aber auch etwas Farbiges ausprobieren», ergänzt Adrian Mamedow.

Ganz eigener «Schunkel-Schritt»

Berühmt sind die Rhy-Gusler auch für ihren typischen «Schunkel-Schritt», besonders auffällig mit ihren schweren Schuhen. «Dieses Hin- und Herschwanken beim Umzug gehört bei uns einfach dazu», erklärt Adrian Mamedow. In den Proben wird der Laufschritt zwar ab und zu angesprochen, so richtig trainiert wird er aber erst an der Guggen-Chilbi, wenn die Saison startet. «Es gibt bestimmte Stücke, bei denen der Schritt passt, das gibt uns der Musikchef vorneweg vor», erklärt Patrick Holzer. Eine feste musikalische Richtung haben die Rhy-Gusler nicht. «Jedes Mitglied kann Lieder vorschlagen. Unser Musikgremium entscheidet dann, was ins Repertoire kommt», so Holzer. Dass die Rhy-Gusler gerne etwas mystisch daherkommen, hat Tradition. «Wahrscheinlich hat man sich bei der Gründung 1987 stark am Luzerner Stil orientiert und inspirieren lassen», ergänzt er.

Der Zusammenhalt ist das A und O

Was macht die Gruppe aus? «Wir sind ein kunterbunter Haufen und genau das ist das Schöne», sagt Adrian Mamedow. «Jede und jeder bringt etwas Eigenes mit und engagiert sich auf seine Weise.» Die Gemeinschaft geht dabei weit über Proben und Auftritte hinaus. Man trifft sich auch unter dem Jahr, es entstehen Freundschaften, die seit Jahren bestehen. «Und trotzdem tut eine Sommerpause mal gut, um neue Energie zu sammeln und sich wieder auf die nächste Saison zu freuen», meint Holzer. Wie haben sich die Fasnachtsszene und das Vereinsleben verändert? «Klar gab es in Schaffhausen Vereine, die aufgehört haben. Wir merken das aber weniger, weil diejenigen, die weitermachen wollen, vielleicht bei uns landen», sagt Adrian Mamedow. Neue Leute fürs Vereinsleben zu begeistern, werde grundsätzlich schwieriger, nicht nur bei der Fasnacht. «Es gibt im Verein auch Pflichten. Gerade Jüngere möchten sich oft nicht mehr langfristig binden», so Holzer. Zudem habe die Fasnacht in der Gesellschaft nicht mehr denselben Stellenwert wie früher. «Bei den Umzügen hat es zwar noch Zuschauerinnen und Zuschauer. Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem die Leute weg sind. Daher sieht man, dass das Interesse an der Fasnacht zunehmend schwindet und es schwieriger ist, Personen aus der Region zu rekrutieren.»

Ausbrechen aus dem Alltag

Für beide ist die Fasnacht mehr als ein Hobby. «Es ist ein Ausbrechen aus dem Alltag, Kameradschaft und eine andere Welt sehen», beschreibt Holzer. «Im Sommer bin ich am Wasser und im Winter habe ich mein Hobby.» Sich verkleiden, musizieren und gemeinsam unterwegs sein das sei es, was die Fasnacht ausmacht. Ein grosser Traum: einmal an der Luzerner Fasnacht mitzuspielen. «Es ist schwierig, aber träumen darf man ja», sagt Holzer mit einem Lächeln.

Salome Zulauf, Schaffhausen24