Im Oktober fanden in Neunkirch und Hemmental zwei Informationsanlässe zu den Vernetzungsprojekten Klettgau und Randen statt. Das Planungs- und Naturschutzamt (PNA) informierte über den aktuellen Projektstand, laufende Fördermassnahmen und zukünftige Entwicklungen. Rund 20 Landwirtinnen und Landwirte nahmen jeweils teil. Im Mittelpunkt standen der Austausch, kurze Referate und die Diskussion über Artenförderung, praktische Herausforderungen und die Zukunft.
Projektgebiet mit Auszeichnung
Rund 150 Landwirtinnen und Landwirte bewirtschaften Flächen im Gebiet des Vernetzungsprojekts Klettgau. Davon beteiligen sich rund 80 am Vernetzungsprojekt.
Die beiden Vernetzungsprojekte fördern die ökologische Aufwertung und Vernetzung von Lebensräumen im Kulturland und bestehen seit über 20 Jahren. Ein Highlight für das Projekt sei gemäss Patrik Peyer, Projektleiter vom PNA, dass der Klettgau von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz im Jahr 2023 zur «Landschaft des Jahres 2023» ernannt wurde. Ausgezeichnet wurde die Agrarlandschaft für ihre hohe Biodiversität und die beispielhafte Zusammenarbeit zwischen der Landwirtschaft und dem Naturschutz.
Esther Frei, Leiterin des Planungs- und Naturschutzamts eröffnete den Anlass und bedankte sich bei den Bewirtschafterinnen und Bewirtschaftern für ihr langjähriges Engagement: «Ohne euer Mitwirken wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen.»
Sehr seltene Wildbienen im Klettgau
Patrik Peyer stellte in seinem Beitrag den aktuellen Projektstand sowie laufende Artenfördermassnahmen vor. Ein aktuelles Beispiel ist die Stängelblattschneiderbiene, eine äusserst seltene Wildbiene, die 2023 erstmals im Kanton Schaffhausen nachgewiesen wurde. Sie nistet ausschliesslich in Kardenstängeln – Buntbrachen mit hohem Kardenanteil sind daher entscheidend für ihr Überleben. Bis Februar 2026 werden geeignete Flächen gezielt auf Nester untersucht.
Besucherlenkung wird notwendig
Ein weiteres Thema war die Besucherlenkung. Seit einem Jahr informieren im Gebiet Widen an drei Standorten Infotafeln über den Wert der Kulturlandschaft als Lebensraum. Sie erinnern zudem an geltende Einschränkungen wie das Fahrverbot und die Leinenpflicht für Hunde. Die Tafeln informieren auch über Brutzeiten, sensible Bereiche und die Wichtigkeit der Rücksichtnahme auf Natur und Wildtiere. Ziel ist es, Störungen zu reduzieren, gerade durch ortsunkundige Besuchende.
Offener Acker für die Ackerbegleitflora
Jessica Käser koordiniert den Aktionsplan zur Förderung der Ackerbegleitflora. Der Kanton trägt hier eine besondere Verantwortung zum Erhalt dieser seltenen Pflanzengruppe, die ihr Hauptlebensraum im Acker hat. Es sind einjährige Arten, die sich mit dem Ackerbau zusammen entwickelt haben und deshalb auch an die Bewirtschaftung gebunden sind. Sie mögen Bodenbewegungen mit dem Pflug, sie brauchen das Licht auf dem Boden. Im Kanton Schaffhausen haben wir für die Förderung zwei Strategien: Extensiver Ackerbau in sogenannten Ackerschonstreifen und die Förderung in Buntbrachen. Bei Letzterer werden die Brachen alle paar Jahre teilweise verjüngt. Dazu wird ein Bereich der Brache gemäht und der Boden geöffnet oder umgebrochen, so dass seltene Ackerflora wieder aus der Samenbank aufkommen kann.
Landwirtschaft hat Bekämpfungspflicht
Ein Dauerthema: Invasive Neophyten. Die Bekämpfung dieser gebietsfremden Pflanzenarten ist mühsam und belastet vor allem die Landwirtschaft. Denn nur für die Landwirtschaft und den Naturschutz gilt die Bekämpfungspflicht. Ein Landwirt schilderte offen: «Wenn ich mitten im Sommer Neophyten ausreissen muss, während rundherum niemand etwas macht, ist das frustrierend. Ich kann das arbeitstechnisch nicht mehr vertreten.»
Esther Frei zeigte Verständnis und betonte gleichzeitig die Bedeutung der Bekämpfung. «Gerade das Einjährige Berufkraut ist derart invasiv, dass es ganze Flächen dominieren und so einheimische Pflanzenarten verdrängen kann. Wir sehen das Problem und stehen in Austausch mit anderen betroffenen Ämtern. Der Kanton hat im Rahmen der Überarbeitung des Umweltgesetzes auch eine mögliche Bekämpfungspflicht für Private dem Kantonsrat vorgeschlagen, abhängig davon wird die Strategie des Kantons zur Bekämpfung der invasiven Neophyten erarbeitet werden.»
Ein Eldorado für Feldlerchen
Stefan Werner von der Regionalstelle Nordostschweiz der Schweizerischen Vogelwarte, kennt das Gebiet Klettgau seit seiner Kindheit. Der gebürtige Singener ist dort seit Jahrzehnten unterwegs für das Monitoring von Vögel und Hasen. Beim Feldhasenmonitoring arbeiten die Ornithologen eng mit den Jägern zusammen. Gezählt wird nicht tagsüber, sondern nachts – mit Wärmebildkameras. Die Erfassungsgebiete sind Wide, Langfeld und Blomberg.
Besonders beeindruckend: In der Wide wurden bis zu 120 Feldlerchen gezählt – «so viele wie im ganzen Kanton Aargau und Zürich zusammen», wie Werner erklärte. Die Lerche, ein Steppenvogel, meidet hohe Strukturen wie Bäume oder Gebäude. Auch die Dorngrasmücke, eine seltene Vogelart, kommt hier vor. Rund fünf Prozent des Schweizer Bestands lebt im Klettgau.
Die Biodiversitätsförderflächen (BFF) sind entscheidend: In der Wide machen sie 14,1 Prozent aus, in Langfeld sechs und in Blomberg fünf Prozent. Arten reagieren mit zeitlicher Verzögerung – viele Vogelarten zeigten erst ab etwa neun Prozent BFF eine messbare Zunahme.
Die Goldammer, deren Bestand schweizweit um bis zu 60 Prozent zurückgegangen ist, nimmt im Gebiet Wide weiterhin zu. Auch bei den Feldhasen ist der Unterschied markant: Während in Blomberg seit Jahren 19 bis 20 Tiere gezählt werden, waren es in der Wide zuletzt 130. Im Jahr 2025 allerdings brach der Bestand auf 30 Tiere ein – vermutlich aufgrund einer Krankheit. Werner ist dennoch zuversichtlich: «Die Strukturen sind vorhanden – der Bestand kann sich rasch erholen.»
Pflegeauflagen und Brachenformen
In der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, ob Rotationsbrachen nicht wertvoller seien als Buntbrachen. Zur Erklärung: Buntbrachen können mehr als doppelt so lange am gleichen Standort bleiben. Rotationsbrachen hingegen müssen bereits nach spätestens drei Jahren wieder in die Fruchtfolge eingegliedert werden. Stefan Werner stellte klar: Je älter eine Buntbrache, desto wertvoller ist sie für Vögel. Auch Patrik Peyer betonte die Bedeutung beider Formen. «Buntbrachen bieten langfristig stabile Strukturen. Neu ist, dass bis zu 20 Prozent der Fläche strukturreich sein dürfen. Das erhöht ihre ökologische Qualität.»
Gabi Uehlinger, Landwirtin und Biologin, empfahl den artenreichen Saum. Dieser könne langfristig bestehen und sei ideal für Kleinstrukturen.
Ein Landwirt kritisierte die Vorgabe, bei Buntbrachen ein Drittel bis die Hälfte zu mähen: «Das sollte freiwillig sein. Die Strukturhaufen sind sinnvoll, aber das Mähen zieht Wildschweine an.» Uehlinger schlug vor, Anpassungen der Auflagen zu beantragen – etwa das Anlegen von Strukturen statt des Mähens.
Zukunft der Vernetzungsprojekte
Bruno Arnold vom Landwirtschaftsamt Schaffhausen informierte über die künftige Ausrichtung der Vernetzungsarbeit. «Wir wollen das Gute erhalten und das verbessern, was nicht optimal läuft», erklärte er.
Die Vorgabe des Bundes besagt, dass die bisher getrennten Projekte zur Vernetzung und zur Landschaftsqualität bis 2027 zu einem einzigen Projekt für «regionale Biodiversität und Landschaftsqualität» (BrBL) zusammengeführt werden. Bis dahin laufen die bisherigen Vernetzungsprojekte weiter. Die Rahmenbedingungen des Bundes wurden im vergangenen Mai veröffentlicht. Angestrebt wird die Entwicklung eines kantonsweiten Projekts, das die bisherigen 16 Einzelprojekte zusammenführt und dadurch für mehr Übersichtlichkeit sowie eine vereinfachte Umsetzung sorgt. Trägerschaften wie bisher wird es dann nicht mehr geben, ihr Finanzierungsanteil wird vom Kanton übernommen. Die Federführung dieses Direktzahlungsprogramms hat das Landwirtschaftsamt. Gemeinsam mit den Ostschweizer Kantonen wird an regional abgestimmten Massnahmen gearbeitet.
Im Januar 2026 startet das Landwirtschaftsamt eine Umfrage, bei der alle Beteiligten ihre Rückmeldungen zu den vorgeschlagenen Massnahmen einbringen können.
Das fertig ausgearbeitete Projekt muss dann bis Frühjahr 2027 beim Bund zur Anerkennung eingereicht werden. Die Umsetzung ist für 2028 vorgesehen – jedoch unter Vorbehalt, denn es gibt noch beträchtliche politische Unsicherheiten. Der Bundesrat hat im Rahmen des Entlastungspaketes 2027 vorgeschlagen, seinen Finanzierungsanteil von 90 Prozent auf 50 Prozent zu senken. Dies hätte weitreichende Folgen für das Projekt. Weiter fordert die Motion Friedli, diese Zusammenführung zur BrBL erst mit der AP 2030 umzusetzen. Beide Geschäfte werden in der kommenden Wintersession beraten.