Die Mittzwanziger René Steiner, Willy Grüninger, Alfred Roost und Walter Hauser gründeten vor 55 Jahren den «Schaffhau-ser Bock» und wirbelten damit in der hiesigen Medienlandschaft mächtig Staub auf. Von den Schaffhauser Zeitungen wurde das Erscheinen des Gratisanzeigers als ernsthafte Bedrohung empfunden, zumal der Neue auf dem Markt mit einem massiv tiefen Preis von 20 Rappen pro Inseratemillimeter bei einer Auflage von 28 950 Exemplaren startete. Von der grossen Unruhe ergriffen waren die täglich erscheinenden «Schaffhauser Nachrichten», die katholische «Schaffhauser Zeitung» sowie die «Schaffhauser Arbeiterzeitung». Dreimal wöchentlich erschienen der «Steiner Anzeiger», die «Klettgauer Zeitung» und der «Schleitheimer Bote». Im Weiteren wurde einmal in der Woche das «Thaynger Heimatblatt» gedruckt.
Kampf mit fairen Mitteln gefordert
Dass der «Schaffhauser Bock» in den Redaktionsstuben für rote Köpfe sorgte, belegte die erste Ausgabe vom 1. Oktober 1965, in der sich Willy Grüninger bereits genötigt sah, sich zur Wehr zu setzen: «Seitdem wir vor vier Wochen unseren Prospekt versandt haben, geistern die unmöglichsten Gerüchte um unsere Zeitung durch das Land. Wenn Sie genaueres über uns und unsere Ziele wissen wollen, dann beachten Sie doch bitte unsere Stellungnahme. Gegen ein systematisch verbreitetes Gerücht müssen wir uns allerdings hier mit aller Schärfe wenden: Der ‹Schaffhauser Bock› ist in keiner Weise politisch abgestempelt. Die vier Verwaltungsratsmitglieder der Verlagsfirma gehören vier verschiedenen Parteien an – die konfessionelle und politische Unabhängigkeit des Verlags ist ausserdem statuarisch verankert. Daran ändert auch der von uns nach rein wirtschaftlichen und technischen Erwägungen bestimmte Druckort – die Unionsdruckerei AG Schaffhausen – keinen Deut. Dürfen wir unsere Freunde im anderen Lager bitten, dies endlich zur Kenntnis zu nehmen und den Kampf fortan mit fairen Mitteln zu führen?»
Die Konkurrenz agierte in Panik
Wie sehr die Neulancierung der Wochenzeitung anderen Medien Angst einflösste, es könnte jemandem etwas – sprich Inserateumsatz und -einnahmen – weggenommen werden, zeigte die Reaktion der grössten Tageszeitung. Noch vor dem Erscheinen der ersten «Bock»-Ausgabe wurde von den «Schaffhauser Nachrichten», zusammen mit weiteren Zeitungen der Nachbarkantone Zürich und Thurgau der alle sieben Tage erscheinende «Wochen Express» lanciert. Nur die «Schaffhauser Arbeiterzeitung» distanzierte sich von dieser Konkurrenz-Wochenzeitung, nicht zuletzt deshalb, weil zum einen der Verleger René Steiner damals noch Sozialdemokrat war und der «Schaffhauser Bock» im Haus dieses Konkurrenzblattes gedruckt wurde. Im Weiteren schrieb Willy Grüninger in der ersten Ausgabe: «Wir wollen aber nicht über Gebühr über unfeine Methoden jammern – schliesslich sind wir für eine neue Idee angetreten – nun werden wir auch dafür zu kämpfen wissen.»
Ein Stich ins Herz der Konkurrenz
Nun ja. Die Sticheleien eines Mediums über das andere und umgekehrt sollten noch über Jahrzehnte hinweg anhalten. Die Absicht der Gründer des «Schaffhauser Bocks» war, neben den «Schaffhauser Nachrichten» der regionalen Bevölkerung eine zweite Stimme zu geben. Allerdings erfolgte dies erst im Laufe der Jahre, wohl auch durch die Schwankungen der Inserate-Aufträge bedingt. In den Anfängen bestand nämlich der Redaktionsteil nicht selten aus lediglich einer halben Seite bei einem Zeitungsumfang von acht Seiten und oft bestand selbst die Frontseite aus lauter Inseraten. Wohl nicht zuletzt deshalb wurden die sogenannten Gratisanzeiger als Parasiten im Schweizer Pressewesen bezeichnet. Entsprechend hatte sich der «Schaffhauser Bock» gegen viele Angriffe, auch von Seiten der Regionalpresse, zu wehren.
Ein Stich ins Herz der Konkurrenz musste es geradezu gewesen sein, als die Verleger mit einer fast revolutionären Idee auf den hiesigen Markt kamen: die kostenlose Verteilung. Dazu wurde in der siebten Ausgabe vom 12. November 1965 geschrieben: «Vielleicht haben Sie bemerkt, dass vor einer Woche zum ersten Mal der Abonnementspreis auf unserem Zeitungskopf verschwunden ist, und dass es neu heisst, dass die Zustellung des ‹Schaffhauser Bocks› durch Verträger innerhalb des Verbreitungsgebietes kostenlos ist. In der Tat, wir erwarten von unseren Lesern keine Abonnementszahlungen, das einzige, was wir erwarten, ist, dass Sie Ihrer Sympathie dadurch Ausdruck geben, indem Sie unsere Inserenten berücksichtigen.» Im Weiteren wurde in der gleichen Ausgabe zum ersten Mal ein politisches Inserat im «Schaffhauser Bock» veröffentlicht.
«Bock» für Erhalt der Pressevielfalt
Rund 40 Jahre lang hatte der «Schaffhauser Bock» in der Landschaft der Gratisanzeiger in der Schweiz ein Alleinstellungsmerkmal. Der redaktionelle Inhalt richtete sich stark auf das politische Geschehen in den Gemeinden und im Kanton aus. René Steiner und seine redaktionellen Mitarbeiter wagten es, zum einen politisch brisante Themen und zum anderen Geschichten, die von der Konkurrenz weniger gern aufgegriffen wurden, zu veröffentlichen. Um auf dem zunehmend hart umkämpften Markt überleben und den Fortbestand der Unabhängigkeit sichern zu können, ging der «Schaffhauser Bock» schon früh einen Inserateverbund ein. Damit konnte grösstenteils verhindert werden, dass die Schweizer Gratisanzeiger-Konkurrenz auf dem Markt des nördlichsten Kantons der Schweiz so richtig Fuss fassen konnte.
Heute hat der «Bock» erneut ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Schweizer Gratisanzeigern. Keine Wochenzeitung veröffentlicht auch nur annähernd derart viele selbstrecherchierte Artikel. Nachdem in den vergangenen rund 20 Jahren viele Zeitungen von der Bildfläche verschwunden oder von einem Verlag mehrheitlich übernommen worden sind, trägt der «Bock» heute noch wohltuend zur kaum noch vorhandenen Pressevielfalt in der Region Schaffhausen bei. Dass heute für ein solches Unterfangen die Möglichkeit besteht, ist zum einem dem heutigen Verleger Giorgio Behr und zum andern den grossartigen Fähigkeiten eines nur zwölfköpfigen Teams – Verlag und Redaktion (Voll- und Teilzeitstellen) – zu verdanken.
Näher bei den Menschen der Region
«Nichts ist so beständig wie der Wandel», sagte einst der griechische Philosoph Heraklit. Das gilt auch für die Medienlandschaft. Heute gibt es kaum mehr eine (Wochen-) Zeitung, die einerseits regelmässig eine neue, verbesserte Gestaltung des sich schon länger auf dem Markt befindenden Mediums (Relaunch) vornimmt und andererseits auch als Onlineausgabe angeboten wird. Der «Bock» hat das in den vergangenen zwölf Jahren drei Mal getan. Die Gründe dafür sind relativ simpel. Die Zeitung wird damit den Marktveränderungen angepasst, um mehr Leserinnen und Leser für das Produkt zu generieren. Damals wie heute charakterisieren drei Merkmale eine moderne Wochenzeitung: Erstens muss sie für alle zugänglich sein, zweitens sollten die Artikel anders als bei einer Tageszeitung gewichtet sein, und drittens sollte sie eine redaktionelle und inhaltliche Vielfalt aufweisen können.
Mit dem vollzogenen Relaunch des «Bocks» von Ende Juni ist dessen Auftritt jedoch nicht nur frischer und peppiger. Er spricht auch eine jüngere Leserschaft und Kundschaft an, ohne das bestehende, grosse und treue Zielpublikum beider Seiten in den Hintergrund zu stellen. Moderne und doch klare Strukturen erhöhen – unabhängig des Alters – die Lesefreundlichkeit. Ausserdem wurde der Schritt, weg von sich wiederholenden Alltagsberichten (wenige Ausnahmen bestätigen die Regel), hin zum weniger Alltäglichen, dafür aber näher zu den Menschen der Region, vollzogen worden. Damit unterscheidet sich der «Bock» klar von der Tagespresse, ohne jedoch die Bildung der Meinungsvielfalt in wirtschaftlichen und politischen Angelegenheiten zu vernachlässigen. Ergänzt wird er mit regelmässig erscheinenden Sonderpublikationen in der Zeitung sowie mit spannenden Sonderbeilagen im Tabloid- und Magazinformat.