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Politik
08.09.2020

Es geht nicht um die Jagd

Das revidierte Jagdgesetz ist ein viel diskutiertes Thema. (Symbolbild)
Das revidierte Jagdgesetz ist ein viel diskutiertes Thema. (Symbolbild) Bild: Nathalie Homberger, Schaffhausen24
Das Schweizer Stimmvolk entscheidet über das revidierte Jagdgesetz. Befürworter und Gegner legen ihre Argumente vor.

Am 27. September entscheidet die Schweizer Bevölkerung an der Urne unter anderem über das revidierte Jagdgesetz. Grundsätzlich ist das Ziel der Revision des eidgenössischen Jagdgesetzes, verbesserte Schutzmassnahmen für Wildtiere, insbesondere für geschützte Wildarten, Unterstützung von Biotopverbesserungsmassnahmen sowie ein besseres Zusammenleben von Wildtieren mit den Menschen in der engen Kulturlandschaft der Schweiz zu erreichen. Ein weiteres Ziel ist, die Voraussetzungen für ein Nebeneinander von Land- und Forstwirtschaft und Grossraubtieren zu schaffen und die Sicherheit für Tiere, Landschaften und Menschen zu stärken. Im revidierten Gesetz erhielten die Kantone neu die Entscheidungskompetenz für den Abschuss von geschützten, aber regulierbaren Arten durch die Behörden. Wenn ein Einzelwolf trotz Herdenschutzmassnahmen Schaden anrichtet, darf bereits heute ein behördlicher Abschuss angeordnet werden. Neu könnten die Kantone bereits vorausschauend einen Abschuss eines Einzelwolfes anordnen, wenn dieser sich problematisch verhält. In Wolfsrudel, die fernab von Herden und Siedlungen sind, dürfte nicht eingegriffen werden. Die Anordnung müsste dem Bundesamt für Umwelt vorgetragen werden. Zudem könnten der Bund sowie Naturschutzorganisationen gegen jeden Abschuss Beschwerde einlegen.

Bauern in die Pflicht nehmen

Mit dem revidierten Jagdgesetz würden Bäuerinnen und Bauern in die Pflicht genommen. Bisher erhielten sie finanzielle Unterstützung, wenn sie Herdenschutzmassnahmen erbrachten, sowie eine Entschädigung bei Wolfsrissen – auch ohne Massnahmen. Neu erhielten Bäuerinnen und Bauern vom Bund nur noch eine Entschädigung für gerissene Tiere, wenn sie im Vorfeld Schutzmassnahmen ergreifen.

Das revidierte Gesetz betrifft aber nicht nur den Wolf. Es enthält auch Bestimmungen, die den besseren Schutz von Wildtieren gewährleisten. Beispielsweise wären neu zwölf Wildentenarten geschützt, und die Waldschnepfe erhielte eine längere Schonzeit. Zudem würden die sogenannten Wildkorridore – Verbindungswege für Wildtiere zwischen ihren verschiedenen Lebensräumen – vor Verbauung geschützt und wo nötig neue Brücken und Unterführungen erstellt. Neu würde der Bund den Kantonen zusätzliche Finanzhilfe für Lebensraumfördermassnahmen in Wildtierschutzgebieten und für den Bau von Zäunen leisten.

Bedrohte Tiere besser schützen

Vergangene Woche lud das Schaffhauser Komitee «Jagdgesetz Nein» zu einer Medienkonferenz ein. «Wir dürfen stolz sein, dass sich der Wolf, Luchs und Biber bei uns wieder heimisch fühlen. Das missratene Jagdgesetz ermöglicht es nun den Kantonen, bundesrechtlich geschützte Wildtiere vorsorglich abzuschiessen, schon bevor sie Schäden anrichten», sagte Martina Munz, Nationalrätin (SP). Ein grosser Kritikpunkt sei, dass der Artenschutz für geschützte Tierarten untergraben werde. Zudem habe es das Parlament verpasst, bedrohte Tierarten besser zu schützen. Dabei geht es um sogenannte Rote-Liste-Arten, die in einzelnen Kantonen weiterhin bejagt werden dürfen.

Das Nein-Komitee befürchtet bei einer Annahme, dass es in Zukunft in der Schweiz keine Wölfe, Biber und Luchse mehr geben wird, da der Bund neu mit Bundesbeschluss geschützte Arten als regulierbar erklären könnte. Dass diese und weitere Arten im neuen Gesetz nicht als regulierbar gelten würden, sei rund um die Nationalrats- und Ständeratswahlen nur aus wahltaktischen Gründen beschlossen worden. Aus Sicht der Landwirtschaft sprach Gabi Uehlinger. Die Revision schade der Biodiversität, ohne Verbesserungen in Bezug auf das Zusammenleben von Landwirten und Wildtieren zu bringen. «Herdenschutz ist wirksam, wenn er richtig gemacht wird», so die Landwirtin. Es sei zwar ein Mehraufwand, aber machbar. «Wir können aber schon mit dem bestehenden Gesetz reagieren.» Daniel Leu, ehemaliger Präsident von Jagd Schaffhausen, meint, dass die Revision ein falsches Signal für den Artenschutz und die Akzeptanz der Jagd senden würde. Zudem ist seiner Meinung nach die Argumentation bezüglich der Wildtierkorridore ein Witz: «Wildtierkorridore müssen die Kantone aus den Vorgaben des Natur- und Heimatschutzgesetzes bereits lange unterhalten. Sie machen es aber nicht, da es keine Sanktionen im Gesetz gibt.»

Bestände werden nicht gefährdet

Die Befürworter des revidierten Jagdgesetzes wehren sich gegen diese Argumente. Es handle sich bei den präventiven Wolfs­abschüssen um behördlich angeordnete Abschüsse, die nur kantonale Wildhüter ausführen dürften. Dass die Kantone, welche die Verhältnisse am besten kennen, neu die Entscheidungskompetenz erhielten, sei eine gute Sache, sagt Werner Stauffacher, Präsident von Jagd Schaffhausen. «Die Kantone müssen die Jagd nämlich neu explizit nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit planen und sich kantonsübergreifend absprechen.» Ob Rote-Liste-Arten jagdbar blieben, wäre Sache des Kantons: «Der Kanton Schaffhausen beispielsweise hatte bis vor wenigen Jahren ein Moratorium bezüglich der Hasenjagd. Das kann der Kanton machen und das soll er auch», so der Präsident. Heute hat sich die Hasenpopulation weitgehend erholt.

Die ganzen Regulierungsmassnahmen rund um Wolfabschüsse seien sehr eng gehalten. «Die behördlich angeordneten Abschüsse sind erst nach Rücksprache mit dem Bundesamt für Umwelt erlaubt, und nur wenn Herdenschutzmassnahmen allein den Schaden nicht verhindern können», erklärt Werner Stauffacher. Zudem seien die Abschüsse auch zeitlich begrenzt: Sie könnten nur vom 1. September bis zum 31. Januar, wenn es sozusagen keine Schaf- oder Ziegenherden in den Alpen hat, angeordnet werden. Zwar dürfte der Bundesrat in Zukunft geschützte Arten für regulierbar erklären. «Aber nur ohne den Bestand zu gefährden», so Werner Stauffacher. Jedoch könnte mit dem revidierten Jagdgesetz nur noch durch Parlamentsbeschluss eine geschützte Art für jagdbar erklärt werden.

Ein weiterer Punkt der Revision, den das Ja-Komitee befürwortet, ist die Einführung der Nachsuchepflicht bei verletzten Tieren bei Verkehrsunfällen und Fehlschüssen. Im Kanton Schaffhausen wird dies schon seit Langem umgesetzt. Zudem würden die Jägerinnen und Jäger verpflichtet, anspruchsvolle Prüfungen und jährliche Treffsicherheitsnachweise zu erbringen. Für die Befürworterinnen und Befürworter sei es unverständlich, dass die Gegnerschaft die Sicherung und Sanierung von Wildtierkorridoren, die Umbenennung von Jagdbanngebieten in Wildtierschutzgebiete sowie die Stärkung des Herdenschutzes mit ihren Argumenten aufs Spiel setzen. Der Tier- und Artenschutz würde mit dem revidierten Gesetz praxisnah und für die Zukunft verbessert werden.

Nathalie Homberger, Schaffhausen24