«Sind Sie de Zauberer?», unterbricht ein vorlautes Mädchen das Interview am Lindli. Loris Brütsch schmunzelt: «Dass ich erkannt werde, passiert mir ab und zu.» Und das könnte in Zukunft noch viel mehr passieren, denn der 26-Jährige übt gerade Magiernummern ein, die durchaus zu den grossen gezählt werden dürfen. Seit einiger Zeit begnügt er sich nicht mehr mit der einfacheren Tischzauberei, sondern studiert mit einer Assistentin grosse Nummern ein. «Es gibt Tricks, die kannst du nach zwei Wochen Üben perfekt und dann gibt es Nummern, an denen bist du ein halbes Jahr dran. Bis die Illusionen mit meiner Assistentin funktionieren, sind wir stundenlang im Proberaum.» Auch wenn Loris Brütsch bescheiden wirkt, seine Ziele sind hoch gesteckt. So will er sich längerfristig nicht nur mit Auftritten auf Hochzeiten und bei Firmenevents zufriedengeben, sondern hofft, dass er mit seiner Illusionsshow bald die grossen Säle mit 1000 Leuten und mehr bespielen kann.
Der Nerd mit dem Zauberkasten
Schuld an Loris Brütschs Liebe zur Zauberei ist sein Vater. Dieser nahm seinen damals zehnjährigen Sohn mit an eine Show von David Copperfield im Hallenstadion Zürich. Der kleine Loris war von der Show dermassen angetan, dass er sich auf Weihnachten einen Zauberkasten wünschte. Sein Problem: Bis zu Weihnachten ging es noch mehrere Wochen. So lange konnte er auf keinen Fall warten, und so überzeugte er seine Eltern, dass es viel sinnvoller wäre, wenn er den Kasten schon vorher bekommt, damit er auf Weihnachten einen Trick üben könne. Von da an gab es für ihn nur noch die Zauberei. Nachdem er rund zwei Jahre später am 80. Geburtstag seiner Grossmutter ein paar Tricks zeigte und dafür eine Kollekte kassierte, rannte er anderntags mit dem Geld an einen Zauberflohmarkt und investierte in weitere Tricks und Ideen. Mit jedem Rappen Sackgeld kaufte er neue Zaubertricks, Zauberbücher und Requisiten: «Bis heute habe ich sicher über 50 000 Franken dafür ausgegeben.»
Nicht nur Geld investierte er bis heute viel in seine Leidenschaft, sondern auch Zeit. Nach der Schule fand man ihn nicht mit den anderen Jungs auf dem Fussballplatz, sondern in seinem Kämmerlein, wo er neue Tricks lernte. «Ich bin ein ziemlicher Nerd. Meine Gedanken drehten sich schon in der Schule mehr um die Zauberei als um Mathe oder Französisch und in der Freizeit übte ich in jeder freien Minute neue Tricks ein.»
Die Freude erlosch nie
Der Lohn für seine harte Arbeit zeigt sich heute oft bei seinen Auftritten. «Es ist ein wunderschönes Gefühl, wenn die Leute Freude an meiner Arbeit haben. Mit der Zauberei kannst du alle erreichen, von den Kindern bis zu den Greisen.» Es gibt aber wohl noch einen anderen Grund, weshalb ihn die Magie noch immer verzaubert. Für ihn war sie die Möglichkeit, seine grosse Schüchternheit abzulegen. Als Kind hätte er sich nichts getraut, erinnert er sich. Die Zauberei half ihm, sich den Leuten gegenüber zu öffnen. «Bei meinen Auftritten als Tischzauberer musste ich einfach die Leute ansprechen und sie mit meiner Zauberei unterhalten. So legte ich langsam meine Scheu ab.»
Aus Fehlern lernt man
Es war einer seiner frühen Auftritte, als bei einem Trick alles schiefging. Eine Zuschauerin musste eine Nummer aus dem Telefonbuch suchen, zu der Lorios bereits eine Vorhersage hatte. Dummerweise gab er eine total falsche Nummer an und in diesem Moment konnte er den Trick nicht mehr retten. «Ja, etz isch er schief gange!», witzelte Lorios schweissgebadet auf der Bühne und konnte somit zumindest die Sympathien des Publikums gewinnen. Vor allem aber lernte er daraus und feilte weiter an seinen Tricks. «Wenn heute etwas schiefgeht, habe ich einen Plan B eingeübt, um den Fehler zu kaschieren. Die Leute im Publikum kriegen so den Fehler gar nicht mit.»
Krise als Chance
Loris Brütsch lief es in den letzten Jahren auch wirtschaftlich immer besser. Dann kam von einem Tag auf den anderen der Corona-Lockdown und es ging gar nichts mehr. «Das war am Anfang natürlich schon ein Schock», erinnert er sich. Langsam kämen aber wieder mehr Aufträge rein und er habe praktisch jedes Wochenende einen Auftritt. Er bleibe entsprechend optimistisch und hoffe, dass es bald wieder richtig weitergehe. Während er das sagt, laufen hinter der Sitzbank zwei ältere Damen vorbei und die eine flüstert ein bisschen zu laut zur anderen: «Du, das isch doch de Zauberer.» Offenbar stimmt es, Lorios kann mit seiner Zauberei alle erreichen, von den Kindern bis zu den Greisen.