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Freizeit
30.08.2021
30.08.2021 17:53 Uhr

Wenn der Rhein zur Gefahr wird

1876 standen Teile der Stadt Schaffhausen komplett unter Wasser. Das Foto zeigt die Unterstadt vom Gerberplatz aus.
1876 standen Teile der Stadt Schaffhausen komplett unter Wasser. Das Foto zeigt die Unterstadt vom Gerberplatz aus. Bild: Stadtarchiv Schaffhausen, Koch Archiv Rolf Wessendorf
Gerade im Sommer lockt der Rhein unzählige Leute an seine Ufer und auf seine Wellen. Immer wieder wird seine Kraft aber unterschätzt und es kommt zu schweren Unfällen. Vor 150 Jahren hatten die Leute noch mit einer anderen Gefahr zu kämpfen.

Einheimische wissen es: Der Rhein kann eine ungeheure Kraft entwickeln, die tödlich enden kann. Diese Kraft wird von Ortsunkundigen oft unterschätzt. Das erfährt auch Patrick Caprez, Mediensprecher der Schaffhauser Polizei, immer wieder. Er warnt deshalb schon fast gebetsmühlenartig jedes Jahr, wenn die Gummibootsaison beginnt: «Der Hochrhein bringt von Natur aus einige Gefahren mit sich. Im Wasser hat es Hindernisse wie Steine und diverse Untiefen. Vor allem aber unterschätzen viele die Gefahren der Wiffen und ab Mitte April bis Ende September verkehrt das Kursschiff. Da ist Vorsicht geboten.» Diese Vorsicht wird aber nicht immer eingehalten. Allein die Schaffhauser Polizei musste auf dem Rhein in den letzten zwei Jahren elf Mal ausrücken. Meistens kommt es zu einem Unfall, weil eine Wiffe nicht beachtet wurde. So zum Beispiel am 31. Juli letzten Jahres, als ein Gummiboot und ein Standup-Paddle zusammengebunden waren und mit einer Wiffe kollidierten. Eine Person wurde beim Unfall verletzt. 

Kinder aus Fluss gerettet

Die Anzahl Kollisionen mit Wiffen dürfte noch höher sein, denn nicht in jedem Fall wird die Polizei verständigt. Bootsfahrlehrer Jerry Svensson ist von Frühling bis Herbst fast täglich auf dem Rhein. Er sagt, die gefährlichen Situationen hätten in den letzten Jahren zugenommen: «Besonders letztes Jahr, als es so lange heiss war und die Sonne schien, war es die Hölle pur, richtig schlimm. Es hatte teilweise so viele Schlauchboote auf dem Rhein, du hättest den Fluss trockenen Fusses überqueren können.» Die Gummiboote sind es denn auch, die dem 64-Jährigen Sorgenfalten auf die Stirn zeichnen: «Der Schlauchboot-Verkehr hat massiv zugenommen und viele haben keine Ahnung von den Regeln auf dem Rhein, oder es interessiert sie nicht.» Jedes Jahr erlebe er haarsträubende Momente. Eine Szene mit einem Gummiboot ging ihm besonders nah: «Letztes Jahr musste ich zusehen, wie es ein Gummiboot mit einer Familie um eine Wiffe wickelte. Alle vier Personen fielen aus dem Boot. Wir konnten die kleinen Mädchen retten, die Eltern schwammen an Land. Hätte es jemanden zwischen dem Schlauchboot und der Wiffe eingeklemmt, ich hätte nicht helfen können.» Ähnliche Berichte kennt auch Remo Rey, Geschäftsführer der Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein: «Viele Leute unterschätzen die Wiffen», meint er und ergänzt, dass es auch immer wieder heikle Begegnungen mit Kursschiffen und Gummibooten gebe: «Vor allem an den Wochenenden und bei schönem Wetter gibt es oft brenzlige Momente. Wir stellen auch fest, dass es immer wieder zu heiklen Situationen kommt, weil viele Personen sich auf dem Rhein nicht auskennen.» Statistisch gesehen gebe es pro Jahr mehrere Fast-Touchierungen mit Freizeitbooten, erklärt Remo Rey weiter, etwa alle zwei Jahre komme es zu einer Touchierung. 

Ganze Unterstadt überflutet

Der Rhein als Gefahr für Schwimmerinnen und Schwimmer ist ein relativ neues Phänomen. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts stand der Fluss nämlich nicht für Freizeit, sondern in erster Linie für Arbeit und Nahrungsquelle. Eine potenzielle Gefahr für die Bevölkerung war der Rhein aber schon damals, sagt der Schaffhauser Staatsarchivar und Historiker Roland E. Hofer: «Der Rhein war immer eine Bedrohung, da er bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts immer wieder Teile der Schaffhauser Altstadt überschwemmte.» Erst durch den Bau des Kraftwerks konnte der Rhein besser reguliert werden. Zwar gab es auch in der jüngeren Vergangenheit Überschwemmungen – wie etwa 1999 in Stein am Rhein – die Ausmasse waren aber nicht mehr so dramatisch wie davor. Vor dem Bau des Kraftwerks wurden Teile Schaffhausens immer wieder überflutet. So zum Beispiel 1876. Das «Schaffhauser Intelligenzblatt» schrieb damals: «In Schaffhausen wälzt der Rhein immer furchtbarere Massen trüber Fluthen daher. […] Fischerhäusern steht ganz unter Wasser, der Gerberbach ist ebenfalls ausgetreten, die Bachbrücke mag die Masse nicht mehr schlucken. In der Unterstadt werden Thören und Fensteröffnungen so gut als möglich gesichert. Die Feuerwehr ist seit gestern Abend ununterbrochen in Thätigkeit. Und immer noch strömt Regen nieder.»

Yves Keller, Schaffhausen24
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