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Gesellschaft
25.07.2022
26.07.2022 10:52 Uhr

Von der Flucht bis zum Lehrabschluss

Aus Afghanistan geflüchtet und nun den Lehrabschluss im Sack: Basir Azimi schloss mit 25 Jahren die Lehre als Boden-/Parkettleger EFZ ab. Sein Werdegang war steinig, mit viel Disziplin aber nicht unüberwindbar.
Aus Afghanistan geflüchtet und nun den Lehrabschluss im Sack: Basir Azimi schloss mit 25 Jahren die Lehre als Boden-/Parkettleger EFZ ab. Sein Werdegang war steinig, mit viel Disziplin aber nicht unüberwindbar. Bild: Nathalie Homberger, Schaffhausen24
Diesen Sommer schloss Basir Azimi, ein in Schaffhausen vorläufig aufgenommener Flüchtling, seine Lehre als Boden-/Parkettleger EFZ erfolgreich ab. Im Interview erzählt er von seinem bewegenden Werdegang.

Mit 18 Jahren aus Afghanistan geflüchtet und seine Familie zurückgelassen. Der Weg führte über Pakistan, den Iran, die Türkei nach Griechenland und zum Schluss in die Schweiz. Eine unglaubliche Geschichte, welche der in der Schweiz vorläufig aufgenommene Flüchtling Basir Azimi zu erzählen hat. Sieben Jahre später hat er nun bei der René Bührer AG in Neuhausen die Lehre zum Boden-/Parkettleger EFZ mit einem Notendurchschnitt von 4,9 abgeschlossen. Der bisherige Weg von Basir Azimi war mehr als nur steinig. Der 25-Jährige legte aber unglaubliches Engagement, viel Fleiss und einen starken Willen an den Tag. «Er ist heute ein wichtiges Zahnrad bei uns in der Firma», erklärt Thomas Bührer, Geschäftsführer der René Bührer AG. Nun erhielt Basir Azimi eine Festanstellung.

Die Flucht über das Mittelmeer

Aufgewachsen ist Basir Azimi in Taruscht, später in Takhar. In jungen Jahren verlor er bereits einen Teil seiner Familie. Auf Einzelheiten wollte er nicht eingehen, die Wunden sind wohl zu tief. Das Einzige was er im Gespräch mit dem «Bock» verriet war, dass sein Leben in Afghanistan von Angst geprägt war. Daher entschied er sich, das Land und seine Heimat zu verlassen. «Es war sehr schwierig, meine Familie verlassen zu müssen. Aber ich musste es tun, denn mein Leben war in Gefahr. Daher entschied ich mich, aus dem Land zu flüchten.» 

Für seine Flucht zahlte er rund 6000 Dollar. Dafür verkaufte er in seiner alten Heimat sein Haus. Das Geld ging an Schlepper, der Fluchtweg führte zuerst über Festland und später über das Mittelmeer. Die genauen Einzelheiten schrieb Basir Azimi in seiner Lehrabschlussarbeit nieder. Es sei jedenfalls eine Odyssee gewesen, die für uns wohlbehütete Schweizerinnen und Schweizer wohl kaum vorstellbar ist. 

«Es war schwierig, meine Familie verlassen zu müssen. Aber ich musste es tun»
Basir Azimi, vorläufig aufgenommener Flüchtling mit Lehrabschluss

Keine schulische Grundausbildung

Im Jahr 2015 kam der heute 25-Jährige nach Basel. Später wurde er für 30 Tage nach Buch gebracht, bevor er zweieinhalb Jahre in der Flüchtlingsunterkunft auf dem Ebnat in Schaffhausen verbrachte. Diese Zeit war alles andere als einfach für ihn. Die Unterkunft sei grenzwertig gewesen. Es war laut, die Sprachbarriere machte Basir Azimi zusätzlich zu schaffen. Er besuchte den Deutschkurs beim Schweizerischen Arbeiterhilfswerk (SAH), was ein wegweisender Schritt in seine Zukunft in der Schweiz war. 

Das Deutschlernen bedurfte viel Disziplin. «Wenn ich ein Wort im Alltag sah und nicht verstand, schrieb ich es mir auf und übersetzte es dann zu Hause», so der 25-Jährige. Basir Azimi bestand danach die Aufnahme zum Integrationskurs (IGK) am BBZ in Schaffhausen. Dieser richtet sich an junge Erwachsene, die Basisdeutschkenntnisse (Niveau A2) mitbringen und die obligatorische Schule nicht in der Schweiz absolvierten. Es werden allgemeine Fächer wie Deutsch, Mathematik, naturwissenschaftliche Grundlagen oder Handwerken unterrichtet. Innerhalb des IGK werden für die Teilnehmenden Anschlusslösungen gesucht.

Basir Azimi hatte in Afghanistan nur für kurze Zeit eine Koranschule besucht und sonst keine schulische Ausbildung genossen. Für ihn also eine grosse Herausforderung, um in Europa als Flüchtling Fuss zu fassen. Basir Azimi machte jedoch grosse Fortschritte im IGK. Zudem absolvierte er mehrere Schnupperlehren in Handwerksberufen und setzte sich das Ziel, eine Lehrstelle zu finden. «Ich habe dann auch viele Bewerbungen geschrieben. Für uns Flüchtlinge ist es schwierig, eine Stelle zu finden», so der Afghane. Eine Chance erhielt er nach wenigen Rückschlägen – wohl aufgrund von Vorurteilen – bei der René Bührer AG als Boden-/Parkettleger EFZ. Bevor Basir Azimi die Lehre begann, absolvierte er bei der René Bührer AG jedoch für vier Monate ein Praktikum. Schon damals sah Thomas Bührer, dass der Flüchtling fleissig ist und sich aktiv mit einbringt. Ein Grund, dem damals 22-Jährigen eine Chance zu geben. Diese packte er dann auch und bestand mit Bravour die Abschlussprüfungen in diesem Sommer. 

Sprachlevel ist wichtig

«Die Lehre zum Boden-/Parkettleger ist nicht die einfachste», erklärt Thomas Bührer. Der Lehrberuf hat in der Schweiz eine der höchsten Durchfallquoten – diese liegt bei 34 Prozent (Quelle: «FM1 Today»). Umso glücklicher zeigt sich Thomas Bührer, dass Basir Azimi den Sprung geschafft hat. «Das ist eine ganz grosse Leistung. Wir haben ihn nun jetzt auch festangestellt», so der Geschäftsführer. Aber auch für das Unternehmen, das sich auf Böden, Möbel und Vorhänge spezialisiert hat, gab es einige Herausforderungen zu überwinden. Drei Dinge seien laut Thomas Bührer die Grundvoraussetzung, um als Flüchtling eine Lehre erfolgreich absolvieren zu können: Integration in das Unternehmen, Leistungsfähigkeit und ein relativ gutes Level an Deutsch. «Auf dem Bau geht es rau zu und her. Da sprechen wir auch nur Schweizerdeutsch», nennt Thomas Bührer ein Beispiel. Von Anfang an habe es seitens Basir Azimi und den Arbeitskollegen nur positive Zeichen gegeben. Zudem sei der Flüchtling sehr verantwortungsvoll und intelligent, was alles vereinfachte. Seit Beginn seiner Lehre lebt er bei einer Gastfamilie in Osterfingen. Ein grosser Vorteil für ihn, denn so lernt er die Sprache und die Kultur am besten. 

Ein wichtiger Wegbegleiter von Basir Azimi im Unternehmen war Fabian Messerli, Bodenbelagsberater und Projektleiter bei der René Bührer AG. Viele Stunden hatte er mit Basir Azimi gelernt und ihn in allen schulischen Belangen unterstützt. «Ohne ihn wäre das nicht gegangen. Fabian hat einen grossen Teil daran geleistet. Und das ist nicht selbstverständlich», so Thomas Bührer.

Basir Azimi erhielt nach Abschluss seiner Lehre bei der René Bührer AG eine Festanstellung als Boden-/Parkettleger. Bild: Nathalie Homberger, Schaffhausen24

Integration und Durchhaltewillen

Während der Lehre war für Basir Azimi die Sprache weiterhin eine grosse Herausforderung. Im SAH-Deutschkurs habe er nur die Umgangssprache gelernt. Berufsspezifische Ausdrücke, die es haufenweise gibt, musste er sich mühevoll selbst aneignen. Mathematik sei ihm leichtgefallen – nicht selbstverständlich, zumal er das in Afghanistan nie gelernt hatte. «Bodenleger ist ein vielseitiger Beruf. Es ist nicht einfach. Aber mit der Zeit und mit der Hilfe meiner Arbeitskollegen ist die Arbeit immer besser geworden», so der Afghane. Für Basir Azimi braucht es jedenfalls für eine gute Integration in die Schweiz viel Durchhaltewillen. Eine positiv eingestellte und motivierte Person habe seiner Meinung nach sicherlich eine grössere Chance, eine Arbeit zu finden. 

Was seine weitere berufliche Zukunft mit sich bringt, weiss Basir Azimi noch nicht. Vielleicht eine Weiterbildung, meinte er zum Abschluss des Gesprächs. «Aber jetzt will ich erstmal ein paar Jahre 
arbeiten.»

Nathalie Homberger, Schaffhausen24