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Kultur
27.05.2024

Eine Koryphäe im Lande

Reverend Rusty (l.) in Action mit seinen langjährigen Begleitern Al Wood am Schlagzeug und Mr. C.P., der in «The Case» Bass und Tuba bedient.
Reverend Rusty (l.) in Action mit seinen langjährigen Begleitern Al Wood am Schlagzeug und Mr. C.P., der in «The Case» Bass und Tuba bedient. Bild: zVg.
Er gilt in der Bluesszene als lebende Legende: Rusty Stone aus München. Doch sein Lebensmittelpunkt ist inzwischen in der Region Schaffhausen, denn hier hat er sich gleich zweimal verliebt. Mit seiner Band «The Case» tritt er am kommenden Freitag zur Saisonabschlussfeier in der Kerze auf.

Morgens öffnet er die Terrassentür, atmet tief durch und ruft: «Guten Morgen, Kanton Randental.» Es sei zu einem Ritual geworden, schmunzelt Rusty Stone, seit er sich nahe Schleitheim niedergelassen habe. «Es gibt ein paar wenige Verpflichtungen, die mich noch in München halten, doch ich verbringe so viel Zeit als möglich im Schaffhauserland.» Schon vor vielen Jahren hegte der Vollblutmusiker den Wunsch, den Lebensabend hierzulande zu verbringen. Während der vergangenen vierzig Jahre spielte er mit seiner Band regelmässig in der Schweiz. Dabei habe es ihm Schaffhausen besonders angetan. «Die Stadt ist nicht so gross und es hat alles, was es zum Leben braucht», bekennt er seine Liebe zur Munotstadt. «Zudem gibt es hier Plattenläden, was ich als Vinylliebhaber besonders schätze.» Immer sonntags ist sein Vinyltag, bei dem stets eine Auswahl aus seiner Riesensammlung auf dem Plattenteller landet.

Liebe auf den zweiten Blick

Rusty Stone war im August 2020 als Soloact an den Street Music Nights zu Gast und kam dort mit einer Dame ins Gespräch. «Wir verloren den Kontakt, ehe ein Jahr später, als ich wieder in der Stadt Schaffhausen spielte, Silvy auch wieder auftauchte.» Dieses Mal hielt der Kontakt, sie trafen sich kurz darauf und verliebten sich schliesslich. So fand Rusty Stone schliesslich den Weg ins Randental und geniesst dort mit seiner Silvy die Freizeit. Seither begleitet sie ihn auf seinen Reisen nach München oder zu den Auftritten, dabei entwickelte sich ein echtes «Dreamteam». Sie sagt selbst, dass eine Beziehung mit einem Musiker nur dann funktioniere, wenn der Stellenwert der Musik unangetastet bleibe. Noch heute gibt Rusty Stone Unterricht auf diversen Saiteninstrumenten. «Auf Wunsch natürlich auch in Schaffhausen», fügt er bei.

«Ich war ein AFN-Kind»

20. September 1956. In der Metropole München erblickte Klein-Rusty die Welt. Trotz sehr bescheidenen Verhältnissen fand er schnell den Bezug zur Musik, erhielt mit acht Jahren die erste Gitarre. «Meine Mutter verzichtete damals darauf, sich ein Kleid zu kaufen, und offerierte mir dafür meine erste Gitarre. Bis zu meinem 50. Geburtstag erinnerte sie mich immer wieder daran», schmunzelt Rusty Stone. Sein damaliger Nachbar war ein Sammler von Vinylplatten, was den Münchner Bub absolut faszinierte. Er erinnert sich: «Ich war ein AFN-Kind.» AFN – «American Forces Network» – war vor allem zwischen den 1940er und 90er Jahren als globales Hörfunknetz aktiv und in erster Linie für die auf der ganzen Welt verteilten Stützpunkte der US Army verfügbar. Darüber liefen sämtliche amerikanische Hits, von denen sich Rusty musikalisch ernährte. «Ich hatte als Kind einen Transistor und hörte AFN regelmässig heimlich unter der Bettdecke», beschreibt Rusty Stone seine ersten Berührungen zu der Musik, die ihn schliesslich zeitlebens prägen sollte. Das ging sogar so weit, dass er, immer noch im Teenageralter, Kontakt zum Sender aufnahm. Mit dem Resultat, dass er damit belohnt wurde, ein 60-minütiges Konzert über den Äther abzuhalten, ein erster Meilenstein für den jungen Musiker. «Leider existieren die Aufnahmen nicht mehr», bedauert er diesen Wermutstropfen. Doch der Weg schien geebnet zu sein: Musik sollte die treue Lebensgefährtin des jungen Rustys werden, entgegen den berühmten Unkenrufen, dass er doch «etwas Richtiges» erlernen möge. «Sogar in der Schule mahnte mal eine Lehrerin, ich solle mir meine Stimme nicht mit dieser Beatmusik versauen», lacht Rusty, der schliesslich dann eine Ausbildung als Schriftsetzer absolvierte.

In Anlehnung an die Ur-Blueser

Schon mit 13 ging Rusty nebenher arbeiten. Mal in einer Buchbinderei, mal bei der MAN in der LKW-Produktion, um sich so seine Passion zu finanzieren. Trotz gebotener Vielfalt, welche die Musik damals hergab, driftete er immer wieder in den Blues hinein, wurde aber auch dank Begegnungen mit Jimi Hendrix und Grateful Dead weiter gefüttert, bis Rusty selbst erste Konzerte gab und seine Einflüsse durch eigene Musik wiedergab. Er sagt:  «Eigentlich bin ich sogar ein Spätzünder, denn meine ersten richtigen Bands hatte ich erst mit ungefähr 23, 24.» Erst 1984, als Rusty 28 Jahre alt war, gründete er seine Soloband «Reverend Rusty & The Case». Die Fluktuation zuvor war hoch, Geschichten um Skandale seiner Mitmusiker wiederholten sich. Einmal nervte sich Rusty über einen Bassisten, der im Drogenrausch auftrat. «Mit The Case kam Stabilität hinein.» Den «Reverend» übernahm er in Anlehnung an die Ur-Blueser, wie der blinde Reverend Gary Davis, der vor 100 Jahren auch als Baptistenprediger aktiv war.

 

Rusty Stone, hier mit seiner Epiphone, galt bereits 1974 als 18-Jähriger als Gitarrenvirtuose. Bild: zVg.

Grosse Vorfreude auf Kerzen-Konzert

Die Karriere nahm ihren Lauf. Auf den unzähligen Konzerten begegnete er vielen Weltstars auf den Bühnen. «Wir spielten mit den Kinks, Stevie Ray Vaughan kannte ich gut, wir trafen Phil Guy, den Bruder von Buddy», zählt er mit leuchtenden Augen auf. Und gleichzeitig freuen sich Rustys Fans, wenn er im Trio nach längerer Pause wieder in Schaffhausen auftritt. «Seit ein paar Jahren bin ich in der Region vor allem solo in kleineren Venues unterwegs, daher ist die Freude gross, wieder mal mit The Case aufzutreten.» Immerhin gilt Rusty Stone in der Bluesszene nach über 40 Jahren Aktivität mittlerweile als Koryphäe. Und passend zum Auftritt in der Kerze am kommenden Freitag, 31. Mai, treffen an dieser Stätte viele Traditionen aufeinander.

Der Originalblueser Rusty Stone lässt seine Töne im Schaffhauserland erklingen. Bild: zVg.
Ronny Bien, Schaffhausen24