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02.10.2025

Dank Kartoffeln keinen Hunger

Zwei Kartoffelerntemaschinen im Einsatz. Dahinter sammeln Helfer Kartoffeln ein, die fälschlich aussortiert wurden und wieder auf dem Acker gelandet sind.
Zwei Kartoffelerntemaschinen im Einsatz. Dahinter sammeln Helfer Kartoffeln ein, die fälschlich aussortiert wurden und wieder auf dem Acker gelandet sind. Bild: Nici Peter
In Schleitheim sind Kartoffeln eine Seltenheit – doch Familie Gasser wagt den Anbau seit neun Jahren. Mit Leidenschaft, und Gespür für das richtige Timing meistern sie jedes Jahr neue Herausforderungen.

Wenn im April der letzte Bodenfrost vorüberzieht, beginnt für Familie Gasser ein neues Kartoffeljahr. Dann setzen sie die sogenannten Mutterknollen. «Ein wenig Feuchtigkeit im Boden ist optimal. Die Setzkartoffeln sind bereits vorgekeimt und wachsen dann gut», erklärt Rebekka Gasser. Entscheidend sei die richtige Balance: «Nicht zu feucht und nicht zu trocken.»

Vom Anhäufeln bis zum Abflammen

Ein wichtiger Arbeitsschritt ist das Anhäufeln. «Mein Mann Beni liebt das Anhäufeln. Ich glaube, das ist seine Lieblingsbeschäftigung auf dem Feld», sagt die Bäuerin schmunzelnd. Dabei wird Erde um die Pflanze zu kleinen Dämmen aufgeschüttet – das unterdrückt Unkraut und fördert die Knollenbildung.

Erreicht die Knolle ihre Grösse, wird das Kraut geschlegelt und später abgeflammt. Beni Gasser erläutert: «Ein grosser Balken fährt über die Pflanzen und verschweisst mit Hitze die abgeschlegelten Pflanzen. Dies geschieht, damit keine Krankheiten auf die Knollen gelangen. Die Kartoffeln und die Bodenlebewesen sind dabei sicher im Boden.» Dieser Prozess sorgt weiter, dass die Pflanze abstirbt und die Knollen schalenfest werden. «Nach dem Abflammen dauert es etwa drei Wochen bis die Kartoffel schalenfest sind und somit erntereif.»

Als Biobetrieb setzt die Familie auf einen minimalen Pflanzenschutz: «Wir behandeln die Pflanzen mit einer Mischung aus Steinmehl, Algenpräparaten, Pflanzenstärkungsmitteln und Kupfer, um sie zu stärken und vor Kraut- und Knollenfäule zu schützen.»

Ernteschwierigkeiten und Schädlinge

Die Bestimmung des richtigen Erntezeitpunkts stellt jedes Jahr eine grosse Herausforderung dar, erläutert die Bäuerin. «Mitte August versuchten wir es, doch damals war der Boden zu trocken. Danach war es wiederum zu nass. Wir hofften noch auf einen einmaligen Regen – doch leider kam es anders.»
Das Zuwarten hatte Folgen: Der Drahtwurm breitete sich aus. «Von aussen ist meist nur ein kleiner schwarzer Punkt zu sehen, doch durch die Kartoffel führt ein ganzer Gang. Solche Knollen sind schwer verkäuflich», ergänzt Gasser.
Die Bodenbeschaffenheit spielt eine entscheidende Rolle bei der Ernte. Ist der Boden zu trocken, drohen Schlagschäden an den Kartoffeln. Ist er dagegen zu nass, klebt zu viel Erde an den Knollen, was das Ernten erschwert.

Babykartoffeln sind aufwändiger

Auf den Feldern der Familie Gasser wachsen drei Sorten: Cephora, Allians und Erika. Alle drei sind Speisekartoffeln. Die Hauptproduktion sind Babykartoffeln mit einer Grösse von bis zu 35 Millimetern. Die grösseren Knollen können je nach Kalibrierung als Speisekartoffeln vermarktet werden.

Warum Babykartoffeln? Der Landwirt erklärt: «Erstens, weil sie früh geerntet werden, und zweitens, weil nur wenige sie produzieren.» Die Ernte dieser besonders kleinen Knollen ist aufwändig, da beim Verlesen viel Handarbeit nötig ist.

Und welchen Boden bevorzugen Kartoffeln? «Leichter, steinfreier Boden, tiefgründig und nicht vernässt», erklärt der Landwirt. Gleichzeitig betont er: «Allerdings entwickeln die Knollen im schweren Boden eine besonders schöne Schale. Die Kartoffeln sehen dann aus wie Goldknollen.» Nachdenklich fügt er hinzu: «Es hat eben immer alles zwei Seiten.»

Tradition, Emotion und Vermarktung

Der Kartoffelanbau hat in der Familie Gasser einen hohen Stellenwert. «Emotional ein sehr grosser. Wer früher Kartoffeln anbaute, hatte nie Hunger im Winter. Dies ist von den Generationen davor weitergegeben worden.»

Obwohl Benis Eltern lange keine Kartoffeln mehr anbauten, entschieden er und Rebekka sich vor neun Jahren für einen Neustart – gleichzeitig mit der Umstellung auf den Biobetrieb. «In Schlaate ist der Anbau nicht einfach, aber Beni hat es immer gereizt, dieses Wagnis einzugehen», erklärt die Bäuerin. Der Boden in Schleitheim ist eher ungünstig für den Kartoffelanbau: Er siebt nicht und ist zu schwer, was die Ernte erschwert und mehr Zeit in Anspruch nimmt. Dieser Mehraufwand schlägt sich auch in den Kosten nieder. Ein grosser Vorteil hingegen ist, dass in der näheren Umgebung keine weiteren Kartoffeln mehr angebaut werden, wodurch der Krankheits- und Schädlingsdruck gering bleibt.

Begonnen haben sie mit Samenkartoffeln – also Saatgut für andere Produzenten. «Ich suchte eine Sorte, die früh geerntet werden kann, denn die Ernte auf den schweren Böden ist wirklich anspruchsvoll.» Zunächst übernahm die Familie die Ernte selbst, doch die hohe Arbeitsbelastung machte dieses Modell schnell unattraktiv. Heute läuft die gesamte Ernte über einen Lohnunternehmer – für die Familie die finanziell bessere Lösung. Vermarktet werden die Kartoffeln über den Abnehmer, der sie schliesslich im Grosshandel für den Detailverkauf bereitstellt.

Die Ernte – ein Gemeinschaftswerk

Maschinen übernehmen heute einen grossen Teil der Arbeit. «Die Ernte ist zwar maschinell, benötigt aber viele Hände für das Verlesen», erklärt Gasser. Am Erntetag prüft der Anbauleiter morgens die Bedingungen. Er gräbt auf dem Feld, schaut sich die Knollen an und entscheidet, ob die Maschinen auffahren können. Stimmen Boden und Kartoffeln, rücken die Erntehelfer an.

Die Erntemaschine hebt die Knollen aus dem Boden und befördert sie auf ein Förderband. Dort beginnt die eigentliche Handarbeit: «Oben stehen die Erntehelfer und verlesen die Kartoffeln nach Kluten und Steine. Auf einem weiteren Band wird noch einmal verlesen. Die letzten Dreckklumpen werden entfernt und fehlerhafte Kartoffeln aussortiert».

Doch damit ist es nicht getan: «Alles, was auf dem Förderband herausbefördert wird, wird noch einmal von Erntehelfern durchsucht, die hinter der Maschine laufen», erklärt Gasser.

Bei Familie Gasser sind während der Ernte rund 20 Personen im Einsatz – ein eingespieltes Team. «Auf dem Kartoffelvollernter herrscht gute Stimmung, Musik läuft, es wird gelacht», erzählt die Bäuerin. Gleichzeitig erfordert die Arbeit volle Konzentration, besonders wenn viel Erde mitläuft wird hektisch verlesen.

Sie selbst ist immer Mal wieder mit dabei – ob beim Verlesen, beim Znüni bringen oder einfach, um die Helfer zu unterstützen. «Ich fülle für uns immer mehrere Harasse mit frischen Kartoffeln.» Für Rebekka ist die Kartoffel mehr als nur eine Kulturpflanze: «Ich liebe es, eigene Kartoffeln im Keller zu haben».

Gute Ernte 2025?

Das Fazit zum Kartoffeljahr fällt gemischt aus. «Die Grösse der Knollen ist gut. Es wäre ein perfektes Jahr gewesen, wenn nicht der Regen gekommen wäre», sagt Rebekka Gasser.
Beni Gasser ergänzt: «Sehr gut – wenn da nicht die Drahtwürmer in der mittleren Sorte Allians wären. Das Auslese-Ergebnis steht noch aus, aber ich denke, einige Kartoffeln müssen vor dem Abpacken aussortiert werden.» Das zeigt ihm einmal mehr, wie stark die Erträge schwanken können: «Der Pendel schlägt extrem aus – von Jahren mit fast zu viel Ertrag bis hin zu Ernten, die so schlecht sind, dass wir am Schluss sogar draufzahlen müssen.»

Die befallenen Knollen werden von der Familie dennoch sinnvoll verwertet. Gasser verfüttert sie an die Kühe, indem er sie ins Silo gibt und mit Maissilage mischt. «Die Kühe lieben es – und es stecken viele gute Nährstoffe darin».

Schaffhausen24, Originalmeldung Nici Peter