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Kultur
07.10.2025

«Um all meine Ideen umzusetzen, bräuchte ich mehrere Leben»

Seit über 40 Jahren malt Deniz Demiral Dogan auf Porzellan. «Am liebsten täglich von morgens bis abends», sagt sie.
Seit über 40 Jahren malt Deniz Demiral Dogan auf Porzellan. «Am liebsten täglich von morgens bis abends», sagt sie. Bild: Claudia Riedel
Deniz Demiral Dogan lebt für die Porzellanmalerei. Seit über 40 Jahren bemalt sie Vasen, Teller und Figuren, jede Linie ein Ausdruck von Geduld, Kreativität und Liebe zum Detail. In ihrem Laden in der Schaffhauser Unterstadt schafft sie nicht nur eigene Werke, sondern gibt ihr Wissen in Kursen weiter. So bewahrt sie ein traditionsreiches Handwerk und inspiriert zugleich die nächste Generation.

Wer den Laden von Deniz Demiral Dogan betritt, taucht ein in eine zarte Welt: Es ist ein Ort der Ruhe, der Kreativität und der geduldigen Handarbeit. Hier stehen Vasen, Schalen, Dosen, Figuren, Teller und Tassen – alles aus feinstem Porzellan. Manche Stücke in sanften Farben und feinsten Linien, andere kräftiger und pompöser. Und vieles ist noch in schlichtem Weiss, darauf wartend, bemalt zu werden.

Es begann mit einer kleinen Porzellandose mit Blumenmuster. Die damals 17-jährige Deniz Demiral Dogan entdeckte sie in einem Atelier in der Schaffhauser Neustadt. «Ich konnte sie mir mit meinem bescheidenen Lehrlingslohn gerade so leisten und kaufte sie als Geschenk für meine Schwester.» Noch mehr als der Schwester gefiel die Dose jedoch ihr selbst. Diese Kunst fesselte sie. Die 17-Jährige machte Kurse bei der Atelierbesitzerin und merkte schnell, wie sie das Malen auf Porzellan erfüllte: «Ich bin ein ruhiger, geduldiger Mensch, konzentriere mich gerne und arbeite auch gerne für mich allein.»

Zwar schloss sie ihre damalige Lehre zur Kosmetikerin noch ab, besuchte jedoch kurz darauf die Kunstakademie in Brüssel. Heute, über 40 Jahre später, malt sie noch immer auf Porzellan. «Am liebsten täglich von morgens bis abends», sagt sie lachend. Ferien brauche sie von ihrer Arbeit nicht. «Dieser Laden, das ist mein Lebensinhalt.» Dass sie ihren eigenen Laden hat, verdankt sie ihrer damaligen Lehrerin aus der Neustadt. Diese ermutigte sie, ihr Atelier zu übernehmen. «Das gab mir Sicherheit und bestätigte mich, dass ich eine Fähigkeit habe.» Mit 22 führte sie bereits ihren eigenen Laden und hat es nie bereut.

Zuhause bleibt das Porzellan weiss

«Die Arbeit ist so abwechslungsreich. Man muss sich den Formen des Porzellans anpassen. Es gibt so viele verschiedene Techniken. Die Farben allein sind eine Wissenschaft für sich.» An Inspiration fehlt es ihr nicht. Sie findet sie in der Natur: Blumen, Blätter, Käfer, Vögel – alles, was sie draussen sieht, kann zu einem Motiv werden. Aber auch geometrische Muster haben ihren Reiz. «Ich habe so viele Ideen. Um sie alle zu verwirklichen, bräuchte ich mehrere Leben», lacht sie.

Zuhause bleibt ihr Porzellan meist unbemalt. «Mein Reich an Kunst ist hier», sagt sie und zeigt auf die Regale ihres Ladens. Hier entdeckt sie ihre eigene Kunst auch immer wieder neu. Einmal kaufte sie sogar ein eigenes Stück zurück, das ihr besonders am Herzen lag.

Manches ist schon unbemalt ein Hingucker. Bild: Claudia Riedel

Mit ihrem Laden ist sie vor Jahren in die Unterstadt gezügelt. Hier gibt sie nicht nur ihrer eigenen Kreativität Raum, sondern leitet auch Kurse. «Alleine vom Verkauf meiner Kunst könnte ich nicht leben», sagt sie. Doch dies sei nicht der einzige Grund: «Ich wünsche mir sehr, dass dieses schöne Kunsthandwerk erhalten bleibt.» Viele ihrer Kursteilnehmer kommen seit Jahren regelmässig. «Meine älteste Kundin ist bereits 90 und kommt seit meinen Anfängen.» Andere kommen zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen. «Ich hatte auch schon einen Polterabend hier.» Für alle aber ist es ein Erlebnis, zu sehen, wie sich ein schlichtes Stück Porzellan unter den eigenen Händen verwandelt. Dass dies gelingt, dazu trägt Deniz Demiral Dogan unterstützend bei. «Die Leute wissen oft gar nicht, wozu sie fähig sind.» Sie erzählt von einer Kundin, die ein grosses Porzellanbild im Schaufenster sah und sich unsterblich darin verliebte. Weil sie es sich nicht leisten konnte, schlug Demiral Dogan ihr vor, es selbst nachzumalen. «Die Frau kam dann über ein Jahr lang einmal wöchentlich vorbei und malte an ihrem Bild.» Am Schluss war es für sie noch schöner und wertvoller als das Original, weil es ihre eigene Handschrift trug.

Manchmal fehlt die Wertschätzung

Mit den Kursen wächst bei den Menschen auch die Wertschätzung für die handgefertigten Stücke. «Ich weiss, dass sich nicht jeder handgemalte Sachen leisten kann», sagt die Porzellanmalerin. «Nur manchmal fehlt mir das Verständnis für die stundenlange Arbeit, die dahintersteckt.» Die Stücke werden Schicht um Schicht bemalt, kommen so bis zu zehnmal in den Ofen.

Ihre Leidenschaft fürs Malen hat Demiral Dogan auch an ihre beiden inzwischen erwachsenen Töchter weitergegeben. «Die Jüngere nimmt im Oktober an einer Ausstellung im Klub 8 teil», erzählt sie stolz. Und während die Töchter ihre eigenen Wege gehen, unterrichtet die Mutter andere Kinder. Über die «Freizeitschule», ein Angebot der städtischen Schulen, gibt sie Kurse für Kinder ab der zweiten Klasse. «Ich möchte ihnen die Möglichkeit geben, kreativ zu sein, etwas Handwerkliches zu machen.» Denn sie merke, dass dies heute vielen Kindern fehle. «Man sieht es an der Feinmotorik. Viele Kinder können heute kaum noch einen geraden Strich mit der Feder ziehen oder einen Pinsel führen.»

Hier in der Unterstadt, zwischen den Regalen voller handbemalter und noch unbemalter Porzellanstücke, lernen sie es wieder. Und nicht nur das. Der Laden ist mehr als Kursraum und Atelier: Er ist ein Begegnungsort, an dem man Freundschaften schliesst, entschleunigt, Kreativität lebt – und Wertschätzung lernt.

Die Feinmotorik, die es für ihre Arbeit braucht, fehle heute vielen Kindern, sagt die Porzellanmalerin. Bild: Claudia Riedel
Claudia Riedel, Schaffhausen24