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Kanton
09.10.2025
09.10.2025 16:42 Uhr

Nächster Halt: ein Schwatz

Lukas Huber ist Pfarrer der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Löhningen-Guntmadingen. Davor war der Basler neun Jahre in Oberhallau tätig. Ihm ist es wichtig, mit den Menschen im Umfeld seines Wirkens als Geistlicher in Kontakt treten zu können.
Lukas Huber ist Pfarrer der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Löhningen-Guntmadingen. Davor war der Basler neun Jahre in Oberhallau tätig. Ihm ist es wichtig, mit den Menschen im Umfeld seines Wirkens als Geistlicher in Kontakt treten zu können. Bild: Sandro Zoller
Bis Anfang Oktober 1964 fuhr eine Strassenbahn durch Löhningen und machte Halt beim Bahnhöfli. Aktuell hat das historische und geschichtsträchtige Gebäude keinen Mieter. Dies nahm Pfarrer Lukas Huber zum Anlass, um die Räumlichkeiten für sein Projekt bis auf Weiteres zu nutzen. Hereinspaziert auf ein Gespräch.

«Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute genauso ‹gerne› einen Pfarrer anrufen, wie einen Arzt. Es besteht einfach eine gewisse Hemmschwelle», sagt Lukas Huber, evangelisch-reformierter Pfarrer, im Gespräch mit dem «Bock». Und genau deshalb hat er eine originelle und ungezwungene Möglichkeit gesucht, um mit den Mitmenschen ins Gespräch zu kommen und gleichzeitig als Pfarrer Präsenz zu zeigen. Daraus entstand die Idee, sich an eine prominente Stelle zu setzen und die Passanten zu einem kurzen Austausch zu animieren. Dieses Konzept wendet er seit einigen Jahren in Guntmadingen an – mit Erfolg. Nun hat Huber auch in Löhningen einen idealen Standort gefunden.

Wieder ein Ort der Begegnung

Bis 1964 ratterten Züge durch Löhningen und machten am einzigen echten Stationsgebäude entlang der Strasse einen Stopp. Von einem Tag auf den anderen hatte das Bahnhöfli, mitten im Dorf, seine Daseinsberechtigung verloren. Die Löhninger Gemeindeversammlung bewilligte gar 1985 dessen Rückbau. Glücklicherweise kam es nie dazu. Das Gebäude ist heute ein Zeitzeuge aus lang vergessenen Tagen. Jahrzehnte blieb es dennoch ungenutzt. Dann mietete sich ein Geschenksladen ein. Nun kehrt Leben in den Bahnhof zurück. «Ich fragte die Gemeinde an, ob ich die Räumlichkeiten nutzen darf. Ausser ein paar Gläsern Wasser kostet meine Anwesenheit nichts. Und wenn eine neue Mieterin kommt, ist der Tisch rasch wieder im Mesmerhaus.»

Ganz neu ist die Idee mit dem Arbeiten bei den Leuten, um Gespräche zu ‹provozieren›, nicht. In Guntmadingen sitzt Lukas Huber bereits seit einigen Jahren regelmässig vor dem Schulhaus: «Die Leute sollen merken, dass sie eine Kirchgemeinde sind und sich dessen Pfarrer um sie kümmert.»

Tapetenwechsel: Von Basel ins Klettgau

2001 zog er von Basel in den Klettgau und arbeitete neun Jahre als Geistlicher in Oberhallau. Dann sei er nach Löhningen berufen worden. «Gerne willigte ich ein. Es war für mich sowieso Zeit für eine neue Aufgabe.» In Oberhallau habe er so gut wie alle Leute gekannt. Das könne er von Löhningen nicht behaupten. Es sei zwar technisch gesehen auch ein Dorf, aber unterdessen zu einer Agglomerationsgemeinde mit knapp 1700 Einwohnern geworden. Sein Projekt «Pfarrer an der Arbeit: Bitte stören!» sei deshalb eine gute Möglichkeit, um weiteren Einwohnern zu begegnen.

Keine «Agenda», nur ein offenes Ohr

«Bei einem Gottesdienst bereite ich mich vor. Das hier ist ein komplett anderes Format. Ich habe keine ‹geheime› Agenda, sondern lasse mich treiben und sehe, was auf mich zukommt», erzählt Lukas Huber.

Es gäbe Nachmittage, da übertrete niemand die Türschwelle. Wiederum an anderen Tagen da würden Menschen bereits von der Strasse aus grüssen und mit ihm reden. Wenn er die Person noch nicht kennt, dann sei meistens der Eisbrecher die Frage, ob sie in Löhningen wohne. Es sei sicherlich nicht der Ort für tiefsinnige und seelsorgerische Gespräche. Dazu müsste er die Türe schliessen. Aber es soll ein offenes Haus bleiben. «Selbstverständlich, wenn mich jemand bittet, ein Gebet zu sprechen, dann tue ich das.» Er habe mit grossen Augen Richtung Tür geschaut, als unerwartet ein Nachbar, mit einem Tablett und einem Kaffee darauf, dastand und anfing, von seinem Beruf, der baldigen Pensionierung und seinem Enkel zu erzählen. Diese Geste und Begegnung hätten ihm Freude bereitet.

Einmal sei eine Frau vorbeigekommen, die er in den vergangenen 15 Jahren noch nie sah. Es stellte sich unter anderem heraus, dass sie reformiert ist. Lukas Huber geht davon aus, dass ansonsten die meisten «Besucherinnen und Besucher» nicht reformiert sind. «Eine ehemalige Konfirmandin lief anfänglich noch schüchtern vorbei. Unterdessen winkt sie und ruft ‹Hallo›», erzählt der Pfarrer sichtlich zufrieden. Wenn gerade keine Leute vorbeischauen, dann ist er nicht am Däumchendrehen, sondern ackert sich durch administrative Belange, schreibt Protokolle und Predigten.

Sandro Zoller, Schaffhausen24