Wer an einer psychischen Krankheit leidet, hat es im Alltag oft nicht einfach. Denn im Gegensatz zu körperlichen Erkrankungen sind seelische Leiden für andere Menschen meist nicht direkt sichtbar. Das führt dazu, dass Betroffene sich häufig Sprüche anhören müssen wie: Man solle sich nicht so anstellen, jeder sei mal antriebslos oder unmotiviert.
Am 10. Oktober, dem Tag der psychischen Gesundheit, hat der Verein für psychische Gesundheit Schaffhausen auf dem Herrenacker auf das Thema aufmerksam gemacht. An einem Stand suchten die Verantwortlichen das Gespräch mit interessierten Passantinnen und Passanten, um über mentale Erkrankungen zu informieren und Vorurteile abzubauen. Mit dabei war auch Psychologe Dieter Reichl vom Recovery College Schaffhausen. Er arbeitet eng mit psychisch erkrankten Menschen zusammen und erlebt täglich, wie schwierig der Umgang mit dem Thema oft noch ist.
«Psychische Krankheiten sind auch heute noch für viele ein Tabuthema», sagt Dieter Reichl. «Viele Menschen wollen nichts damit zu tun haben und distanzieren sich entsprechend.» Zwar habe sich die Situation in den letzten Jahren deutlich verbessert, doch es gebe weiterhin Handlungsbedarf.
Er wolle sensibilisieren und zeigen, dass psychische Krankheiten genauso ernst zu nehmen sind wie körperliche, auch wenn sie von aussen nicht sichtbar sind. «Jede zweite Person in der Schweiz erkrankt im Laufe ihres Lebens an einer psychischen Krankheit», erklärt der Psychologe. «Das bedeutet, dass praktisch jede und jeder irgendwann direkt oder indirekt mit dem Thema in Berührung kommt.»
Von Betroffenen für Betroffene
Helen Schneider lebt selbst mit einer psychischen Krankheit. Am vergangenen Freitag stand sie am Infostand auf dem Herrenacker und half, mit anderen über das Thema zu sprechen und Vorurteile abzubauen. «Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die keine Berührungspunkte mit psychischen Krankheiten haben, Angst bekommen, als könnte ich sie anstecken», sagt sie. «Diese Vorurteile möchte ich brechen.»Helen Schneider hat schon früh gelernt, mit ihren Krankheiten umzugehen. «Mit der Zeit habe ich Wege gefunden, wie ich meinen Alltag trotz allem gestalten kann. Das möchte ich weitergeben – an andere Betroffene, aber auch an die Gesellschaft.» Ob betroffen oder nicht: Jede und jeder kann etwas tun, um das Schweigen zu brechen. Ein offenes Ohr, ein ehrliches Gespräch oder einfach Verständnis können mehr bewirken, als man denkt.
Kennen Sie jemanden oder sind Sie selbst von einer psychischen Krankheit betroffen? Unter folgender Emailsadresse können Sie sich beim Verein für psychische Gesundheit Schaffhausen melden: info@vereinpsychischegesundheit-sh.ch