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Randen
04.11.2025
03.11.2025 15:56 Uhr

Zwischen Schatzsuche und Schaden: Fossilienjäger auf dem Randen

Einen ganzen Tag Arbeit hatte Landwirt Wilfried Leu neulich, als er hier auf dem Feld wieder zurückgeworfene Steine auflesen musste.  «Das hat mich wirklich geärgert», sagt er im Gespräch mit dem «Bock».
Einen ganzen Tag Arbeit hatte Landwirt Wilfried Leu neulich, als er hier auf dem Feld wieder zurückgeworfene Steine auflesen musste. «Das hat mich wirklich geärgert», sagt er im Gespräch mit dem «Bock». Bild: Claudia Riedel
Wenn der Herbst kommt, zieht es Fossilienfreunde auf den Rande – auf der Suche nach uralten Schätzen aus dem tropischen Urmeer. Doch was für Sammler ein Abenteuer ist, bedeutet für Landwirt Wilfried Leu oft Ärger und Mehrarbeit.

Sie erzählen ein faszinierendes Stück Erdgeschichte: Die «Schneckensteine» und «Donnerkeile», also Ammoniten und Belemniten, Überreste einer Zeit, in der der Randen noch von einem tropischen Meer bedeckt war.

Rund 190 Millionen Jahre später finden sich die Fossilien dieser urzeitlichen Meeresbewohner in den Kalkschichten der Region wieder. Seit Generationen werden sie im Herbst von Spaziergängern und Ausflüglern gesucht und gesammelt. Zur Freude der Finder und zum Ärger manch eines Bauern.

Einer von ihnen ist Wilfried Leu. Er bewirtschaftet in Hemmental rund 60 Hektaren Land mit Gerste, Weizen, Dinkel, Raps, Mais und Kunstwiese. Schon als Kind hat er die Steine von den Feldern gelesen, und auch heute, rund 50 Jahre später, tut er es immer noch. Ein Fossiliensammler ist er jedoch nicht.

«Das hat bei mir seit der Kindheit mit Arbeit zu tun. Die Freude dabei ist darum eher verhalten», lacht der Landwirt. Auch wenn er schon imposante Stücke fand, die er kaum tragen konnte. «Einmal habe ich einen Schneckenstein mit etwa 40 Zentimeter Durchmesser gefunden. Ich habe ihn dann einem Nachbar geschenkt», erzählt er.

Hier wächst bereits Dinkel. Werden Steine nun von Fossiliensuchern umgedreht und unachtsam zurückgeworfen, kommt Landwirt Wilfried Leu später nicht mehr reibungslos mit seinen Maschinen durch: «Im schlimmsten Fall geht die Maschine sogar kaputt.» Bild: Claudia Riedel

Ärger mit Steinsuchern

Trotzdem hat er gemischte Gefühle, wenn Menschen auf seinen Feldern nach Fossilien suchen.  Vor allem dann, wenn der Acker frisch angesät ist. Für Laien ist oft nicht zu erkennen, dass der Boden bereits bestellt wurde. Doch das Saatgut liegt unter der Oberfläche, und die Steine wurden mit der Walze in den Boden gedrückt.

Wenn Sammler nun grosse Steine anheben und sie achtlos zurückfallen lassen, bleiben diese schief und quer auf der Oberfläche liegen. Beim Mähen oder Ernten kann das zum Problem werden: «Die Maschine bleibt hängen, muss angehalten werden und im schlimmsten Fall geht sie sogar kaputt.»

Darum kontrolliert Leu im Herbst meist schon vor der Ernte, ob wieder Steine auf dem Feld liegen. «Neulich hatte ich wieder einen ganzen Tag Arbeit, nur um alle querliegenden Steine abzusammeln», erzählt er. «Das hat mich wirklich geärgert.»

Manche reagieren unwirsch

Immer wieder klärt er Steinsucher auf. «Die meisten reagieren unwissend, manche aber auch unwirsch.» Sein Sohn Philip hatte kürzlich eine unangenehme Begegnung mit einem uneinsichtigen Sammler: «Er hat meinem Sohn mit der Faust auf die Motorhaube geschlagen», sagt Leu kopfschüttelnd. «Das ist respektlos.»

Manche Sammler seien gar im grossen Stil unterwegs. «Einer hat die Steine später in Zürich verkauft. Danach witterten natürlich auch andere ein Geschäft.»

Was erlaubt ist – und was nicht

Rechtlich gesehen muss man den Landbesitzer fragen, bevor man Steine von seinem Acker mitnimmt. Denn sie gehören dem Eigentümer des Bodens. Es sei denn, sie sind von wissenschaftlichem Wert. In diesem Fall fallen sie unter das Natur- und Heimatschutzgesetz und gehören dem Kanton.

Was genau als «wissenschaftlich wertvoll» gilt, ist im Kanton Schaffhausen allerdings nicht genau definiert. Auf Nachfrage des «Bock» heisst es: Vor allem Fossilien von Wirbeltieren und Dinosauriern müssten dem Planungs- und Naturschutzamt gemeldet werden. Ammoniten und Belemniten dürfe man hingegen sammeln – sofern der Landbesitzer einverstanden ist.

Wilfried Leu hat sich schon überlegt, Hinweisschilder aufzustellen. «Aber bei so vielen Parzellen, die von allen Seiten zugänglich sind, gäbe das einen regelrechten Tafelwald, das will ja auch keiner», meint er.

Mehr Rücksicht erhofft

Stattdessen setzt er auf Rücksichtnahme seitens der Bevölkerung. «Manchmal vergessen die Leute, dass das Land jemandem gehört», sagt Leu. «Wir haben hier schon alles erlebt – von Feuerstellen auf unseren Wiesen über parkierte Autos auf Brachflächen bis hin zu aufgestellten Zelten.» Das könne er überhaupt nicht nachvollziehen. «Ich gehe ja auch bei niemandem im Garten zelten.»

Seine Bitte ist klar: «Wer nach Fossilien sucht, soll das nur nach der Ernte im Stoppelfeld oder im frisch gepflügten Feld tun.»

Alternativ könne man auch in den sogenannten Steinlesehaufen am Feldrand fündig werden. «Dorthin legen wir Bauern die grossen Brocken, die wir vom Feld gelesen haben und dort darf man gerne suchen.»

Das Objekt der Begierde. Bild: Claudia Riedel
Claudia Riedel, Schaffhausen24