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Ausland
06.11.2025

Landfrauen Ecke: Roundup im Wilden Westen

3500 Stück Rindvieh im Corral, in der Mitte Cowboy Gilles Turcotte.
3500 Stück Rindvieh im Corral, in der Mitte Cowboy Gilles Turcotte. Bild: zVg.
Am 18. Oktober durfte ich in Kanada mithelfen beim Treiben und Sortieren von 3500 Stück Rinder. Es war Zeit, sie von der gemeinschaftlichen Sommerweide nach Hause zu bringen. Dabei zu sein fühlte sich an, wie in einem Western Film!

12000 Hektare Weide

Meine Schwester und ihr Mann sind Rancher. Ein Grossteil ihres Viehs verbringt den Sommer jeweils auf der Sunset Prairie Community Weide. Etwa 20 Rancher halten ihre Rinder auf der 12000 Hektar grossen Weide (ein grosser Teil davon ist leichter Wald). Manchmal sind es mehr als 2000 Mutterkühe mit ihren Kälbern. Dieses Jahr waren es nur etwa 1800. Durch die Trockenheit der letzten zwei Jahren wurde das Wasser und Futter eher knapp.

Um 5.30 Uhr wurde ich abgeholt. Als wir eineinhalb Stunden später am Sammelplatz ankamen, war die Sonne noch nicht zu sehen. Vier Quads wurden von einem Anhänger abgeladen, andere standen bereit. Range Riders sagt man denen, welche ihre Quads zum Treiben benutzen. Mich faszinierten die Cowboys und Cowgirls auf ihren Pferden, es waren sicher etwa 20. Die Rinder wurden über die letzten Wochen aus dem Wald geholt und auf eine grosse Weide getrieben. Jetzt galt es, diese Herde 2.5 Kilometer zum grossen Sammel- und Sortier Corral, oder Pferch, zu bewegen.

Je mehr Rinder, desto dichter

Die bald von der Morgensonne überfluteten Fluren waren übersät von Rindern in allen Farben. Ihr Gebrüll füllte das Tal, es würde das bestimmende Geräusch des Tages sein. Klar, dass sie aufgeregt und nervös waren. Zeitweise schwappten die Euter der Kühe hin und her, welche von den Cowboys und Range Riders getrieben wurden. Die Kälber rannten hinter den Müttern her.

Je näher die Rinder zum Corral kamen, desto dichter rückten sie zusammen, bis sie ein geschlossenes Gedränge aus schwarzen, roten, braunen und weissen Rücken bildeten. Cowboys und Range Riders ritten ruhig hinterher. Welch wunderschönes Bild im goldenen Licht des frühen Morgens.

Der richtige Moment

Das Sortier Corral ist auf dem neuesten Stand der Technik und wurde von Frau Tempel Grandin als eine der tierfreundlichsten der Welt bezeichnet. Innen der grosse runde Pferch, von da werden die Tiere einzeln durch einen Gang dem Pferch entlang getrieben. Dahinter hat es unzählige kleinere Pferche. Zu jedem gibt es ein Tor. Aufgabe der Produzentinnen und Produzenten und ihren Helferinnen und Helfern (darunter auch ich) war es, diese Tore im richtigen Moment aufzureissen, um die eigenen Tiere in die richtigen Pferche zu bringen. Wir standen auf einer erhöhten Plattform, also über den Tieren, dadurch waren wir niemals in Gefahr.

«Meine» Rancher Familie hatte vier der Pferche. Eins für die Kühe, eins für die Kälber, eins für die Rinder und eins für alles was die ersten drei nicht erwischten. «Unsere Tiere» hatten alle die Nummer 44. Der Vorderste unserer Leute schrie jeweils: «Kuh kommt», usw. Wenn ich «Rind kommt!» hörte, musste ich genau aufpassen. Die Tiere kamen meist dicht gedrängt durch den Gang, manchmal rannten sie. Ich musste im genau richtigen Moment aufmachen, damit die Nummer 44 und nicht etwa die 66 in den Pferch kam. Es klappte nicht immer. Dafür hatten wir Cowboy Arly und sein Pferd Cactus. Eine Kuh aus 20 anderen aus einem engen Pferch heraus zu sortieren, ist sicher nicht einfach. Für Arly und Cactus schien es ein Leichtes. Den Beiden bei der Arbeit zuzuschauen war wie Poesie. Pferd und Reiter waren eine Einheit, ihre Bewegungen so ruhig und flüssig. 

Bissiger Wind bei zehn Grad

Meine Schwester hatte Berge von Sandwiches gestrichen und belegt, Snacks wie Müesliriegel und Käsestangen gefertigt. Heisser Kaffee aus Thermoskannen tat wohl – es wehte ein bissiger Wind und es wurde maximal zehn Grad warm. Ich war dankbar für den isolierten Overall und die Handwärmer in den Handschuhen. Die ersten Tiere kamen um neun Uhr durch den Gang, die letzte Kuh um 14 Uhr. Auf einmal war der riesige Pferch in der Mitte leer. Für die meisten Mitarbeiter war die Arbeit jetzt getan. Nicht für die Rancher. Sie waren den ganzen Tag daran, die sortierten Tiere in die bereitstehenden Tiertransporter zu laden. Bis der letzte LKW abfuhr, war es schon dunkel.

Zurück auf der Ranch durften die Kälber wieder zu ihrer Mutter und alle konnten sich von den Strapazen des Tages erholen. Das Gleiche galt auch für die Rancher Familien und ihre Mitarbeiter. Ich fühle mich privilegiert, dass ich diesen Tag erleben durfte.

Schaffhausen24, Originalmeldung Schaffhauser Bauern