«Der Start der ökumenischen Aktion ‹Markt von Bethlehem›, im vergangenen Jahr, hat uns tief bewegt. Wir durften eine überwältigende Unterstützung erleben – nicht nur finanziell, sondern vor allem menschlich. Viele Besucherinnen und Besucher kamen auf uns zu und erzählten, dass sie von der Aktion in der Zeitung gelesen hätten. Sie wollten nicht nur kaufen, sondern bewusst beitragen», erinnern sich Carmen und Walter Isler gerne zurück. Oft seien Beträge grosszügig aufgerundet worden. Sie hätten spüren können, dass es für die Menschen ein echtes Bedürfnis war, den Christinnen und Christen in Bethlehem beizustehen: «Auch finanziell war die Aktion ein starkes Zeichen der Verbundenheit. Wir hatten Olivenholzprodukte im Wert von rund 7000 Franken eingekauft und konnten schlussendlich über 10'000 Franken nach Bethlehem überweisen.»
Da sich die Situation am Geburtsort Jesu – den Überlieferungen nach – nicht verbessert hat, entschied sich das Ehepaar Isler auch dieses Jahr einen Stand am Schaffhauser Weihnachtsmarkt aufzustellen und Olivenholzprodukte aus Bethlehem anzubieten. «Das grosse Wohlwollen der Mitmenschen hat uns getragen. Viele boten spontan ihre Hilfe an, standen selbst mit am Stand, wollten aktiv mitanpacken und ein Stück Verantwortung übernehmen. Diese Resonanz hat uns enorm motiviert.»
Lage weiterhin sehr angespannt
Die Lage in Bethlehem hat sich im vergangenen Jahr weiter verschärft. Die wirtschaftliche Existenz vieler Familien sei akut bedroht. Rund 85 Prozent der Menschen leben vom Tourismus, doch dieser ist derzeit praktisch vollständig eingebrochen. «Viele verlieren dadurch ihr Einkommen und sehen keine Perspektive mehr für ihre Zukunft vor Ort», erklärt Walter Isler während des Austausches mit dem «Bock».
In der Folge würden immer mehr Familien auswandern, um ihren Kindern ein sicheres und stabiles Leben ermöglichen zu können. Die Unsicherheit halte seit Jahren an, und eine Verbesserung sei momentan nicht absehbar.
«Wir selbst konnten leider erneut nicht nach Bethlehem reisen, da sämtliche Reiseangebote gestrichen wurden.» Dennoch stünden sie weiterhin in engem Austausch mit ihrer Kontaktperson vor Ort.
Während um 1910 noch rund 90 Prozent der Bevölkerung christlich war, sank der Anteil in den 1970er-Jahren bereits auf fast 30 Prozent. Heute machen Christinnen und Christen nur noch rund zehn Prozent aus. In der Stadt Bethlehem leben vermutlich nur noch circa 3000 Christinnen und Christen. Wird der Ballungsraum hinzugezählt, sind es höchstens zehntausend.
Keine Touristen, keine Einnahmen
«Wir beziehen unsere Olivenholzprodukte direkt von verschiedenen kleinen Betrieben in Bethlehem. Insgesamt gibt es dort rund 587 Schnitzerfamilien. Das sind etwa 3200 Menschen, die von diesem Handwerk leben», so Walter Isler. Wie in vielen traditionellen Familienstrukturen würden die Kinder mit ihrer Arbeit oft auch Eltern und Grosseltern unterstützen.
Auch dieses Jahr haben sie Waren im Wert von rund 7000 Franken, inklusive Fracht, eingekauft. «Dieses Geld ging direkt an die Schnitzerfamilien. Zusätzlich hoffen wir auf Spenden, die wir wie zuvor über unsere Kontakte zielgerichtet an bedürftige Familien weitergeben», fügt Carmen Isler an.
Dazu würden Sie ausschliesslich mit direkten, langjährigen Kontakten in Bethlehem zusammenarbeiten. Carmen und Walter Isler unterstützen das «Holy Child Program» einer Schule für traumatisierte Kinder, mit welcher sie im regelmässigen Austausch stehen: «Im vergangenen Jahr konnten wir ebenfalls einen namhaften Betrag einer Franziskaner-Ordensfrau vor Ort überweisen, die dann gezielt Familien in Not unterstützt.»
Auch für die diesjährige Aktion arbeiten die beiden Schaffhauser mit einer Kontaktperson in Bethlehem zusammen. Diese übernimmt die Koordination mit den Schnitzerfamilien und organisiert den Versand. «Ohne diese lokale Unterstützung wäre unsere Aktion in dieser Form gar nicht möglich.»
Kunstwerke aus Olivenholz
Viele bestellte Olivenholzartikel haben thematisch einen direkten Bezug zu Bethlehem und zur Weihnachtsgeschichte. Dazu gehören Krippen, Engel, Christbaumschmuck, Kerzenhalter und Handschmeichler. Daneben bieten Isler an ihrem Stand auch Küchen- und Gebrauchsgegenstände wie Schalen, Schneidebretter, Salatbesteck, Kochlöffel und Bratwender an. «Olivenholz hat in Bethlehem eine lange Tradition und verbindet Handwerk, Herkunft und Geschichte auf besondere Weise.»
Carmen und Walter Isler wünschen sich, dass sie an das Ergebnis des letzten Jahres anknüpfen können. Wichtig sei ihnen, dass sie zumindest den Warenwert von rund 7000 Franken decken können. «Alles, was darüber hinausgeht, würden wir sehr gerne wieder für direkte Hilfe vor Ort nach Bethlehem weiterleiten», erzählt Carmen Isler, während sie ein paar Holzprodukte aus der Verpackung holt.
Ökumenisch getragenes Projekt
In diesem Jahr werden der Bethlehem-Stand und der Friedenslicht-Verkauf gemeinsam als ein grosser, zusammenhängender Stand geführt – und das direkt beim Münsterportal. «Dadurch sind wir beide gut sichtbar und für Gespräche erreichbar, unterstützt von vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern», sagt Carmen Isler. Walter Isler ergänzt strahlend: «Hauptsächlich wird meine Frau vor Ort sein. Sie ist das Gesicht der Aktion und liebt es, mit den Menschen in Kontakt zu treten.»
Die Aktion soll ein Stück der Geschichte der Christenheit und deren geistiges und kulturelles Erbe nach Schaffhausen tragen. «Die reformierte und katholische Kirche unterstützen uns konkret durch die organisatorische Einbettung, die Kommunikation und die Möglichkeit, den Stand beim Münsterportal durchzuführen.»
Zudem übernehme die katholische Kirche die Vorfinanzierung der Ware, was das Engagement überhaupt erst ermöglicht habe.
«Wenn wir nächstes Jahr nicht mehr eine Aktion starten müssen, würde uns das sehr freuen. Denn dies hiesse, dass sich die Lage verbessert hat und wieder Touristen kommen.»
Interview mit Kontaktperson vor Ort
Samir Baboun lebt in Bethlehem und ist Reiseleiter. Er kennt den Ort wie seine eigene Westentasche und kann aus eigener Erfahrung sprechen.
«Bock»: Wie sieht die aktuelle Lage für die Bevölkerung, Christen im Speziellen, aus?
Samir Baboun: Die aktuelle Lage für die Bevölkerung sieht sehr schwarz aus. Nach vielen Jahren der Unruhen, ist keine baldige Lösung in Sicht. Das Leben in Palästina ist nicht mehr ertragbar. Nichts funktioniert richtig. Es fehlen den Menschen viele Sachen im Alltag, insbesondere das Grundelement «Frieden». Ohne Frieden kann man kein normales Leben führen. Um ein Land weiterzuentwickeln und resilient zu machen, braucht man Frieden, denn nur durch ihn gibt es Stabilität und Sicherheit. Die Leute sind von den vielen Kriegen sehr müde geworden. Unsere Kinder sehnen sich nach Frieden. Für die Christen im Speziellen ist das sehr wichtig, da sie in der Minderheit sind. In Palästina beträgt die Zahl der Christen 1,2 Prozent der gesamten Bevölkerung. Palästina, bestehend aus West Jordanland und der Gazastreifen, hat aktuell rund fünf Millionen Einwohner – drei Millionen im West Jordanland und zwei Millionen im Gazastreifen. Ich bin ganz sicher, dass seit dem letzten Krieg die Zahl viel weniger geworden ist, insbesondere die der Christen. Ich habe von einigen christlichen Freunden und Bekannten gehört, dass sie das Land verlassen möchten, weil sie für ihre Kinder eine sichere Zukunft suchen.
Wie versuchen Sie der schwierigen Lage zu trotzen?
Baboun: Die Lage ist nicht einfach, da die Arbeitslosigkeit im Land circa 65 Prozent beträgt. In Bethlehem liegt sie noch höher. Viele Menschen haben ihren Job durch den Krieg verloren. Insbesondere die, welche in der Tourismusbranche arbeiten, etwa wie ich. Die Wirtschaft von Bethlehem stützt sich zu 85 Prozent auf den Tourismus. In der Corona Zeit kamen für etwa drei Jahre keine Touristen ins Heilige Land und jetzt wieder seit dem 7. Oktober und wer weiss, wie lange das noch dauert. Man hat alle seine Ersparnisse verbraucht, wenn man überhaupt was hatte. Viele sind Sozialfälle geworden. Ich und viele Schnitzer, die auf die Touristen, welche Bethlehem besuchen, angewiesen sind, suchten nach einer Lösung. Wenn also die Touristen nicht zu uns kommen können, müssen wir unsere Produkte irgendwie zu ihnen bringen. Und das musste trotz der vielen Herausforderungen, wie etwa den hohen Transportkosten und vielen Sperren, bewerkstelligt werden. Wir hoffen, dass unsere christlichen Mitbrüder und -schwestern in Europa uns in dieser schwierigen Lage durch den Verkauf unserer Produkte unterstützen können und dadurch die wenigen verbliebenen Christen weiterhin in Bethlehem verbleiben können. Stellen Sie sich Bethlehem ohne Christen vor. Wer wird sich dann noch darum kümmern, dass das ewige Licht in der Geburtskirche weiter brennt? Wir brauchen nicht nur finanzielle, sondern auch politische Unterstützung sowie Gebete für Frieden und Gerechtigkeit.
Welche Funktion haben Sie im Projekt «Markt von Bethlehem»?
Baboun: Ich selbst versuche durch den Verkauf der Olivenholzschnitzereien christliche Familien durch meine Beziehungen in Europa zu unterstützen und auch selbst davon zu leben.
Können Sie bei weiteren Projekten auf der Welt mitwirken, deren Erlös den Menschen vor Ort zugutekommen?
Baboun: Ja, wenn die Lage mir das erlaubt, aber im Moment weiss ich nicht wie. Ich bin jederzeit sehr eingebunden.
Was erhoffen Sie sich für die Zukunft?
Baboun: Für die Zukunft, wie die meisten Menschen auf dieser Welt, erhoffe ich mir ein friedliches und normales Leben für meine Familie und mein Volk, Frieden unter den Menschen, egal zu welcher Religion oder Nationalität sie gehören, Gerechtigkeit und Sicherheit für alle Menschen dieser Welt und natürlich im Heiligen Land. Ich bin ein Mensch des Friedens und glaube fest an die Versöhnung zwischen den Völkern.