«Kirche ist Gemeinschaft, und eine Gemeinschaft muss sich treffen können», sagt Urs Elsener nachdenklich. Dass viele Gläubige wegen Corona dieses Jahr auch an Weihnachten nicht in die Gottesdienste dürfen, macht ihm zu schaffen: «Wenn wir Leute vor der Kirchentüre nach Hause schicken müssen, ist das himmeltraurig. Das Tragische ist ja, dass wir seit Jahren versuchen, die Menschen zu motivieren, in die Kirche zu kommen. Dann kommt so ein blödes Virus, und auf einmal müssen wir den Leuten sagen: ‹Kommt nicht in die Kirche.› Das hat schon etwas Absurdes.» Trotz seiner Enttäuschung hat der katholische Pfarrer und Schaffhauser Domherr Verständnis für die Massnahmen: «Wir dürfen das Virus nicht verharmlosen. Die Regierung stellt diese Regeln ja auch nicht zum Spass auf. Da müssen wir jetzt zusammen durch.»
Salbung für Coronakranke
Das Virus habe das Leben der Kirche massiv verändert, sagt Urs Elsener. Neben den Gottesdiensten, die aktuell nur mit maximal 50 Personen durchgeführt werden dürfen, seien auch Elternabende abgesagt und Besuche bei Kranken zumindest erschwert. «Dort wo es gewünscht wird und möglich ist, mache ich Krankenbesuche. Im Spital geht das aktuell nicht mehr, bei den Altersheimen ist es unterschiedlich.» Auch schwer an Corona erkrankte Menschen besucht Urs Elsener wenn möglich. Im Schutzanzug erteilt er ihnen die Krankensalbung. Oft einige wenige Tage vor ihrem Tod. Das geht auch an ihm selbst nicht spurlos vorbei, und er gibt unumwunden zu, dass er für seine Arbeit auch himmlische Unterstützung brauche: «Ganz wichtig für mich ist das Gebet, das ist mein Fundament. Die Kraft muss mir von oben gegeben werden, die kann ich ja nicht einfach aus mir rausnehmen. Zudem bin ich zu 80 Prozent angestellt, damit ich zwischendurch auch einfach Zeit für mich habe. Pfarrer bist du eben nicht einfach acht, neun Stunden am Tag, sondern immer.»
Die Hoffnung aufrechterhalten
Was ihm auch zu schaffen mache, sei die starke Zunahme von depressiven Verstimmungen in der Bevölkerung. «Im Lockdown im Frühling konnten viele noch den Garten oder den Balkon geniessen. Jetzt ist es kalt und dunkel, das macht die Situation viel schwieriger und drückt den Menschen aufs Gemüt.» Deshalb sei es jetzt umso wichtiger, sich an die Hoffnung zu klammern und den Sinn von Weihnachten zu feiern: «Ich versuche, den Leuten diese Hoffnung mitzugeben. Natürlich, die Situation ist sehr schwierig im Moment, aber gerade an Weihnachten gibt es auch Grund zur Freude. In den vergangenen Tagen haben wir in unserem Pastoralraum viele Karten verschickt mit einem Zitat von Karl Rahner: ‹Zündet die Kerzen an. Sie haben mehr Recht als alle Finsternis.› Das scheint mir in dieser Zeit wichtig zu sein.» Zudem sollte nicht vergessen werden, dass Menschen an anderen Orten dieser Welt deutlich stärker unter der Pandemie leiden als wir. Insbesondere Menschen, die vor der Krise schon wenig hatten. «Wir verkauften auf dem Fronwagplatz Krippenfiguren aus Bethlehem zugunsten des dortigen Kinderspitals. Meine Kontaktperson aus Palästina, die mir diese Figuren schickte, sagte mir, dass sie angefangen hätten, im Garten Gemüse anzupflanzen, da sie kein Geld mehr hätten, um es einzukaufen. Am Abend gingen sie frühzeitig schlafen, um Strom zu sparen. Da geht es uns in der Schweiz doch noch immer sehr gut!»
Die Krux mit dem Singverbot
Weihnachten 2020 wird aber auch bei uns anders, zum Beispiel in der Kirche Santa Maria, in der Urs Elsener die Mitternachtsmesse feiern wird. Maximal 50 Personen dürfen in die Kirche gelassen werden. Die anderen können, wie schon in den vergangenen Wochen, den Gottesdienst per
Livestream mitfeiern. Urs Elsener betont in diesem Zusammenhang nochmals, dass es wichtig sei, dass die Regeln der Regierung von allen eingehalten würden. Nur mit einer Regel habe er seine grosse Mühe: «Ich habe absolut kein Verständnis dafür, dass wir nicht gemeinsam singen dürfen. Unser Kirchenmusiker beobachtet das seit dem Lockdown im Frühling, und ihm ist keine Studie bekannt, die belegen würde, dass Singen bei gleicher Lautstärke gefährlicher wäre als Sprechen.» Trotzdem werde er auf gemeinsame Gesänge verzichten. Die «Stille Nacht» wird dieses Jahr tatsächlich sehr still.