Sie sind auf einem Hof gross geworden. Was hat Sie am meisten geprägt?
Lara Winzeler, neue Geschäftsführerin Schaffhauser Bauernverband: Das Miteinander auf dem Hof. Wir waren zu viert, ich habe einen älteren und zwei jüngere Brüder. Wir waren ständig zusammen unterwegs, und jeder half mit. Mit 14 Jahren brachte mir mein drei Jahre jüngerer Bruder Dominik das Traktorfahren bei. Von da an ging es immer weiter: Mit Anhänger fahren, Getreide und Kartoffeln abliefern – bis ich eigentlich auf dem ganzen Betrieb einsatzbereit war. Ich wurde so immer mehr ein Teil des Ganzen.
War Ihr Weg damit schon klar vorgezeichnet?
Winzeler: Nicht wirklich. Ich habe eine kaufmännische Lehre bei der Stadt gemacht und dort durch den jährlichen Abteilungswechsel einen breiten Einblick bekommen. Danach habe ich weitergearbeitet – bis ich das Bedürfnis nach etwas Neuem hatte. Ich kündigte und reiste alleine nach Kanada, zuerst um die Sprache zu lernen, dann mehrheitlich mit dem Auto durchs Land. Zurück in der Schweiz habe ich wortwörtlich am Flughafen direkt die Arbeitshose angezogen und auf dem Hof mitgeholfen. Zu diesem Zeitpunkt war der Bau der Maschinenhalle im Gange und ich konnte dadurch auch «Bau-Luft» schnuppern. Danach war ich Springerin bei der Stadt, auf einem Weingut, machte eine Kartoffelerntesaison und hatte eine Saisonstelle in den Bergen. Später übernahm ich die Leitung einer Schulverwaltung, wo ich fünf Jahre blieb. Bis meine Tochter auf die Welt kam – danach habe ich mich für die Bäuerinnenschule entschieden und bin ins Betriebsbüro eingestiegen.
Welche Rolle übernehmen Sie heute auf den Höfen?
Winzeler: Mein Bruder wird per 2026 den elterlichen Betrieb übernehmen, dort helfe ich weiterhin draussen auf dem Hof und drinnen im Büro mit. Mein Partner hat ebenfalls einen Hof, da mache ich ebenfalls einen Teil der Büroarbeit und bin in der Landwirtschaft auch mit dem Traktor unterwegs. Eigentlich packe ich dort mit an, wo es mich braucht.
Gibt es Arbeiten auf dem Hof, die Sie gar nicht mögen?
Winzeler: Nicht wirklich. Natürlich gibt es Arbeiten, die man weniger gerne erledigt, wie beispielsweise den Melkstand zu waschen. Allerdings gehören diese Arbeiten dazu und müssen auch erledigt werden.
Welche Werte begleiten Sie seit der Kindheit?
Winzeler: Bodenständigkeit, Zusammenhalt, Verantwortung. Wenn ich auf dem Traktor sitze oder eine Kuh melke, weiss ich: Das ist Verantwortung gegenüber Menschen, Tier und Natur.
Sie besuchen gerade die Bäuerinnenschule. Was war Ihre Motivation?
Winzeler: Vor allem das Fachwissen. Ich möchte die Hintergründe noch besser verstehen. Ein ausschlaggebender Punkt war allerdings auch der Teil der Hauswirtschaft. Meine Mutter kocht und backt fantastisch und ist für mich ein grosses Vorbild. Allerdings fehlte mir bis anhin die Zeit und das Interesse, mich da mehr zu engagieren. Nun sehe ich die Chance darin, die Basics von Grund auf zu erlernen. Mir gefällt auch der praktische Teil. Zum Beispiel in der Textilpflege, wie wasche ich richtig, welche Waschmittel benötige ich dazu oder was braucht es in der Hauspflege für Putzmittel. Nämlich nicht einen ganzen Schrank voll, sondern lediglich vier. Es sind lauter Dinge, die ich fürs Leben brauchen kann.
Wie erleben Sie den Austausch mit den anderen Kursteilnehmenden?
Winzeler: Die Diversität unter den 24 Teilnehmerinnen ist sehr spannend. Dies zeichnet sich bereits bei den Erstberufen ab. Über die Forstwartin, Innendekorateurin, Lehrerin bis über die Pflegefachfrau oder wie ich aus dem kaufmännischen Bereich, bringen alle einen anderen Rucksack mit. Auch der landwirtschaftliche Hintergrund unterscheidet sich stark. Der kleinste Teil kommt von einer produzierenden Landwirtschaft und möchte auch nicht ins aktive Landwirtschaftsleben einsteigen. Dies ist aber nicht wertend gemeint, denn die Rolle einer Bäuerin hat sich in den letzten Jahren stark verändert und jeder kann es sich selber gestalten.
Was macht die Schaffhauser Landwirtschaft für Sie besonders?
Winzeler: Die Vielfalt! Obwohl wir ein kleiner Kanton sind, haben wir alles – von der Alp bis zum Ackerbau. Diese Mischung ist einzigartig. Zudem wäre die Schaffhauser Landwirtschaft ohne die familiären Betriebe undenkbar, denn sie bilden das Rückgrat unserer landwirtschaftlichen Gemeinschaft und sichern die nachhaltige Bewirtschaftung unserer Böden über Generationen.
Welche Schwerpunkte setzen Sie in den ersten Monaten als Geschäftsführerin?
Winzeler: Ich möchte vor allem die Mitglieder kennenlernen. Im Reiat kenne ich viele Betriebe, aber der Kanton hat ja noch viel mehr. Mir ist es wichtig, möglichst schnell mit vielen Bauernfamilien ins Gespräch zu kommen.
Was wünschen Sie sich von der nichtbäuerlichen Bevölkerung?
Winzeler: Mehr Vertrauen. Ich finde es schade, dass immer wieder Initiativen gegen die Landwirtschaft lanciert werden. Vor solchen Abstimmungen müssen wir grosse Kampagnen starten, um die Bevölkerung von unserer Arbeit zu überzeugen – eigentlich sollte das gar nicht nötig sein. Wir arbeiten für die Natur, nicht gegen sie. Als grösste Umweltschützer setzen wir uns täglich für eine nachhaltige Produktion ein und es ist absurd, dass wir das immer wieder erklären müssen. Nirgendwo auf der Welt werden Lebensmittel so hochwertig und verantwortungsvoll produziert wie in der Schweiz. Deshalb möchte ich verstärkt auf Aufklärung setzen – auch über Social Media –, um unsere Arbeit besser sichtbar zu machen und das Verständnis zu stärken.
Wo sehen Sie Chancen für die Schaffhauser Landwirtschaft?
Winzeler: Die grösste Chance sehe ich in der produzierenden Landwirtschaft, denn nur so können wir Lebensmittel von höchster Qualität für unsere Region sicherstellen. Gerade in Zeiten von globaler Unsicherheit und rückblickend auf die Corona-Jahre sollte dies unser oberstes Ziel sein. Gleichzeitig ist eine intakte Flora und Fauna unverzichtbar. Dies darf jedoch nicht durch unrealistische Initiativen geschehen, sondern durch wohlüberlegte, zielführende Programme, die sowohl die Produktion als auch den Schutz der Umwelt nachhaltig fördern.
Und die Herausforderungen?
Winzeler: 2026 kommt eine erneute Initiative, die Ernährungsinitiative, vors Volk. Die Landwirtschaft ist einmal mehr gefordert, die Bevölkerung davon zu überzeugen, den gesunden Menschenverstand walten zu lassen. Eine weitere Herausforderung sehe ich allerdings auch darin, den Bauernfamilien als Verband den Rücken zu stärken und sie nicht Opfer der ausufernden Bürokratie, hoher Arbeitsbelastung und mentalem Druck werden zu lassen.
Welches Signal möchten Sie den Bauern und Konsumenten mitgeben?
Winzeler: Landwirtschaft ist die Kunst, Menschen zu ernähren, die einem ständig vorwerfen, man würde sie vergiften wollen. Von diesem Gedanken müssen wir wegkommen. Unsere sehr gut ausgebildeten Landwirtinnen und Landwirte geben täglich – seit Generationen – ihr bestes um dem Konsumenten eine breite Vielfalt an Nahrungsmittel in höchster Qualität zur Verfügung zu stellen.
Mit welchem Gefühl treten Sie Ihre neue Aufgabe an?
Winzeler: Mit viel Freude. Jetzt ist es offiziell, und ich darf endlich darüber reden. Ich freue mich auf einen lebendigen Prozess – und gestalte gerne mit.