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Kanton
09.11.2025

Betriebsübergabe anders

Hansruedi und Regina Stamm geniessen den Blick über die Wiese hinter ihrem Bauernhof Grotwis. Statt den Hof an die nächste Generation zu übergeben, gingen sie andere Wege. Trotzdem bleibt die Grotwis im Besitz der Familie – ein Herzensanliegen für alle.
Hansruedi und Regina Stamm geniessen den Blick über die Wiese hinter ihrem Bauernhof Grotwis. Statt den Hof an die nächste Generation zu übergeben, gingen sie andere Wege. Trotzdem bleibt die Grotwis im Besitz der Familie – ein Herzensanliegen für alle. Bild: zVg.
Wenn die Kinder den Hof nicht übernehmen, braucht es neue Wege. Regina und Hansruedi Stamm zeigen, wie eine Betriebsweiterführung gelingen kann – auch ohne Generationenwechsel im klassischen Sinn.

Kuhglocken sind rund um den Bauernhof zu hören – und die dazugehörigen Tiere selbstverständlich auch. Hin und wieder muht es, und ein Traktor fährt über den Hofplatz. Die Grotwis in Schleitheim liegt ganz hinten im Bächital, leicht erhöht mit traumhaft weitem Ausblick. Dort oben, in einem grossen Bauernhaus, leben Regina und Hansruedi Stamm. Nein, nicht schon immer. Aber fast. Hansruedis Eltern siedelten aus und zogen 1958 vom Dorfkern Schleitheim hinauf auf die Grotwis – Hansruedi war damals vierjährig.

Heute ist er 71 Jahre alt und pensioniert. Noch immer lebt er mit seiner Frau auf dem Hof, noch immer leben Tiere dort. Der Betrieb gehört nach wie vor der Familie Stamm, Ställe und Land allerdings sind verpachtet, an den Nachbarn, mit dem schon zuvor eine enge Zusammenarbeit bestand. Denn die drei erwachsenen Kinder der Familie hatten andere Pläne als in die Landwirtschaft einzusteigen.

«Nicht nur war früh klar, dass keines der Kinder den Hof übernehmen möchte. Es war auch schlicht nicht möglich, von der damaligen Betriebsgrösse im Vollerwerb zu leben», sagt der pensionierte Landwirt. Hansruedi führte den Hof viele Jahre im Nebenerwerb – parallel dazu war er Gemeindepräsident. Seine Frau Regina machte von Beginn an deutlich: «Ich bin die Frau eines Bauern – aber keine Bäuerin.» Sie arbeitet seit Jahren als Lehrerin und im Schulsekretariat der Schule Randental.

 

Enges Miteinander mit dem Nachbarn

Schon früh gingen Stamms mit dem Nachbarn eine Fruchtfolge-Gemeinschaft ein. Jeder setzte andere Kulturen, was sich ideal ergänzte. Einige Jahre vor der Pensionierung fragte der Nachbar, ob man nicht eine Betriebsgemeinschaft gründen wolle, um die Zusammenarbeit zu intensivieren. Stall und Scheune wurden saniert, Liegeboxen und Laufhof eingerichtet, ideale Bedingungen für die Rinderaufzucht.

Hansruedi arbeitet weiterhin mit auf dem Betrieb und unterstützt bei der Betreuung der Aufzuchttiere, beim Heuen, beim Säen oder wenn auf dem Feld Not am Mann herrscht. Geht die Nachbarsfamilie in die Ferien, überbrückt er zusammen mit den Lehrlingen. Seit vielen Jahren schon, funktioniert dieses Modell. Was ihm besonders wichtig ist: «Unsere damalige Betriebsgrösse ist für die heutige Zeit einfach zu klein.»

Der Hof bleibt

Der Verkauf des Hofes stand nie zur Diskussion. Die Grotwis ist ihr Zuhause und auch für die Kinder war ein Verkauf nie ein Thema. Langfristig wäre es denkbar, dass eines der Kinder den Hof bezieht. In diesem Fall würden Regina und Hansruedi ins Dorf ziehen. Dazu Regina: «Ich sagte früher immer, sobald ich pensioniert bin, ziehe ich ins Dorf. Heute muss ich ehrlich sagen: Die Grotwis würde mir fehlen – ich kann es mir kaum mehr vorstellen». Vorerst stehen ohnehin noch Sanierungen an – die Küche wurde kürzlich erneuert, das Badezimmer folgt bald.

Dass keines der Kinder die Landwirtschaft übernehmen wollte, war kein Schock, sondern eine Entwicklung, die die Eltern nicht belastet. «Wir sind ja immer noch hier. Die Landwirtschaft ist noch da. So viel hat sich für uns gar nicht verändert,» sagt Hansruedi. «Die Kinder waren früher immer bei den Arbeiten dabei – aber erpicht darauf waren sie nie», sagt Regina. Zwingen wollten die Eltern niemanden. Und trotzdem: Als die Pensionierung näher rückte, fragten sie alle drei Kinder nach ihren Plänen und es war klar, dass verpachtet, aber nicht verkauft werden soll.

«Ich brauche das Hinwischen vom Futter»

Die Tiere spielen für Hansruedi weiterhin eine zentrale Rolle. «Ich freue mich, sie richtig und gut füttern zu können und zu sehen, wie sie wachsen.» Regina lacht: «Er muss mehrmals täglich «Futter herewüsche». Wenn wir irgendwo hingehen, dann vorher und nachher.»

Gerade die Aufzuchtstiere nehmen einen hohen Stellenwert ein auf der Grotwis: Die Kälber verbleiben zunächst beim Nachbarn – dort durchlaufen sie ihren «Kindergarten». Danach kommen sie auf die Grotwis, wo sich Hansruedi Tag für Tag um ihre Aufzucht kümmert. Die männlichen Tiere bleiben, bis sie rund 300 Kilogramm schwer sind, und wechseln dann als Remonten in einen Weidebetrieb. Die weiblichen bleiben auf dem Hof, bis sie zum Abkalben auf den Milchviehbetrieb gehen.

Nicht nur schöne Erinnerungen

Die jährliche Rindergrippe, die früher in Stamms Stall um Weihnachten oft auftrat oder als die Schweine an einer Infektionskrankheit erkrankten und alle geschlachtet werden mussten, sind ihm bis heute in schlechter Erinnerung: «Solche Momente vermisse ich nicht.»

Es sind rückblickend aber mehr schöne Momente im Gedächtnis geblieben. «Für mich sind die schönsten Erlebnisse jene, die wir als Familie auf dem Hof hatten: Ballen laden im Sommer, Heuen im Frühsommer», sagt Regina. «Wir hatten einen Hund, immer junge Katzen – eine Zeit lang sogar Esel mit mehreren Geburten. Dass die Kinder all das miterleben konnten war wunderbar.»

Gut geregelt – für beide Seiten

Die Nachfolgeregelung wurde professionell begleitet. «Alles, was mit dem Betrieb zu tun hat, haben wir mit dem Treuhandbüro abgestimmt. Pachtverträge und Übergabe sind klar geregelt – und laufen über längere Zeit. Das empfehle ich jedem: rechtzeitig und korrekt alles zu regeln.»

Die Lösung mit dem Nachbarn war für sie ideal. «Eine Pächterfamilie zu suchen oder den Betrieb anderweitig zu verpachten, wäre für uns nicht infrage gekommen.»

Hansruedi empfiehlt, wenn keine Nachfolge innerhalb der Familie ersichtlich wird, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen. Falls verpachtet oder verkauft werden muss, sei es wichtig, loslassen zu können. «Wer merkt, dass niemand übernimmt, sollte sich früh mit dem Gedanken auseinandersetzen. Dann wird das Loslassen einfacher.»

Arbeiten ohne Stress

Was würden sie heute anders machen? «Nichts – definitiv nichts.» Regina ergänzt: «Wir sind hier, aber trotzdem unabhängig.» Hansruedi sagt: «Wenn ich mal nicht zu Hause bin, ist das völlig in Ordnung. Ich setze noch Bäume, bin in der Werkstatt, koche und putze im Haus. Langweilig wird es mir nicht.» Regina stellt fest: «Ich finde, er ist gelassener geworden. Er geniesst es und macht das, was er will.» Hansruedi stimmt dem zu und ergänzt: «Ich habe wirklich keinen Stress mehr.»

Für die Grotwis wünschen sie sich, dass sie weiterhin genutzt wird – mit Tieren, mit Leben, mit Nutzen. «Es wäre schade, wenn alles brachliegen würde.»

Schaffhausen24, Originalmeldung Nici Peter
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