Es ist Mittwoch, 19. November, und die Türen der Life-Hall beim Schweizersbild in Schaffhausen öffnen sich. Ein feiner Duft von Bienenwachs schleicht sich vom Eingang in die Halle, in der gleich die Action losgeht. Raffael Störchli, Gemeindeleiter der Life Church und Mitorganisator des jährlichen Kerzenziehens, wird von allen Seiten angesprochen und nimmt sich für jeden Zeit. Schliesslich setzt er sich auf ein «Plauderbänkli» am Fenster des Adventskaffees. Er erzählt, dass sie sich vor 14 Jahren, als sie das Kerzenziehen zum ersten Mal organisierten, nie hätten vorstellen können, dass sie es so lange durchziehen würden. «Wir haben bemerkt, wie gross das Bedürfnis der Menschen nach Abwechslung ist, vor allem im grauen und dunklen November.» Das habe sie durch die Jahre motiviert, weiterzumachen, sagt Störchli. Das Zusammensein, mit den Händen etwas zu machen, habe etwas Meditatives an sich. «Für uns als Kirche ist das so eine Art Investment in die Region», fügt er hinzu. Das Rohwachs, das sie tonnenweise vom 19. bis zum 30. November verbrauchen, kommt auch aus der Region. «Was wir auch noch haben, ist das sogenannte ‹Recycling-Sammelgut›, also das, was die Leute uns bringen, zum Beispiel Kerzenreste, die wir ebenfalls verarbeiten», erzählt der Mitorganisator. Ein Lieblingsdesign oder eine Lieblingsfarbe beim Kerzenziehen könne man nicht identifizieren, doch es gäbe auch weitere interessante Techniken des kreativen Arbeitens mit Wachs abgesehen vom Kerzenziehen. Das Team versucht immer, neue Trends zu entdecken und sein Angebot zu erweitern. In diesem Jahr sind es Gel-Kerzen: «Das sind Gel-Würfel, die mit normalem Wachs aufgegossen werden, um die Leerräume im Glas aufzufüllen», erklärt Raffael Störchli.
Zurück in die Zeit gehen
Was macht das Kerzenziehen so besonders? Der Kontrast zu einer digitalen Welt, in der alles immer schneller und schneller geht, sagt der Mitorganisator. «Hier geht man zurück in die Zeit und zelebriert auch einmal die Langsamkeit», so Störchli. Es hat etwas Meditatives, zuzuschauen, wie etwas entsteht, und auch der kreative Aspekt der Farben- und Designwahl ist verlockend. «Es geht darum, etwas mit den eigenen Händen zu machen. Das ist für die Menschen sehr befriedigend, und das nehmen wir auch so wahr», fährt er fort.
Ein Erlebnis für alle Generationen
Es gibt viele schöne Erinnerungen aus den letzten 14 Jahren: «Ich hatte einmal eine ältere Dame, mit der ich immer ein wenig geplaudert habe. Irgendwann nahm sie mich beiseite und schaute mir in die Augen. Sie sagte, dass diese zwei Wochen zu den schönsten in ihrem Jahr gehörten und dass sie sich immer darauf freue.» Diese Art von Rückmeldung bekämen sie von vielen Leuten, fügt Raffael Störchli hinzu. Mittlerweile hat sich die Halle gefüllt. Wenn man einen Blick in die Menge wirft, sieht man, wie bunt gemischt das Publikum ist. «Es ist ein Erlebnis für alle Generationen. Junge sind davon fasziniert und die Älteren werden an ihre jungen Zeiten erinnert», sagt der Mitorganisator.
Geheimzutaten: Geduld und Zeit
Zum Kerzenziehen braucht man einen Docht, heisses Wachs, einen Lappen zum Abtrocknen und, ganz wichtig, Geduld und Zeit. «Schnell eine Kerze zu ziehen, geht nicht. Es braucht nun mal Zeit. Wir sehen das immer wieder. Wenn man hetzt und sich die Zeit nicht nimmt, werden die Kerzen meistens nicht gut», erklärt der Raffael Störchli. Es sei wichtig, sich ein gutes Zeitfenster einzuplanen. «Nimm dir Zeit, laufe durch und lasse dich inspirieren. Und nimm dir auch die Zeit für einen Kaffee, das Adventskaffee ist geöffnet.»