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Gesellschaft
02.12.2025
01.12.2025 15:51 Uhr

«Ich möchte die Geschichten anderer Personen erzählen können»

Im Gespräch mit dem «Bock» erzählt Matthias Wipf von seinen Tätigkeiten und was ihm am Reisen besonders wichtig ist.
Im Gespräch mit dem «Bock» erzählt Matthias Wipf von seinen Tätigkeiten und was ihm am Reisen besonders wichtig ist. Bild: Salome Zulauf
Matthias Wipf hat ein Gespür und Lust auf alles, was nach einer guten Geschichte klingt. Wipf ist Moderator, berät Firmen punkto Kommunikationsstrategie – und erweckt mit seinen historischen Recherchen Geschichte(n) wieder zum Leben.

Bereits als Teenager entdeckte Matthias Wipf sein Interesse am Journalismus. «Mich haben schon immer Menschen und ihre Geschichten interessiert, nachzugrübeln und etwas Neues herauszufinden, bereitet mir bis heute grosse Freude», erklärt Matthias Wipf. Seine ersten Erfahrungen im Journalismus hat er bei den Schaffhauser Nachrichten machen dürfen. «Ich war vorwiegend als Sportreporter im Einsatz, habe über das regionale Geschehen in Schaffhausen geschrieben, durfte aber auch an Weltmeisterschaften oder Europacupspiele ins Ausland», schwärmt er. «Meine Mutter meinte jeweils scherzhaft, ich solle mir gleich ein Bett in der Redaktion aufstellen, so oft war ich dort.» Dieses frühe Interesse für die Kommunikation liess den Schaffhauser nicht mehr los. Nach der Matura studierte er Zeitgeschichte, Politologie und Medienwissenschaften an den Universitäten Bern und Freiburg und schloss mit dem Doktorat ab. Parallel dazu blieb er dem Lokaljournalismus treu, auch beim «Bund» und der «Berner Zeitung», und er moderierte regelmässig auch beim Kult-Sender «Tele D». «Das Ganze hat sich über die Jahre irgendwie entwickelt, durch Leute, die ich getroffen habe und die mich wieder für neue Projekte angefragt haben. Und ich lasse mich schnell faszinieren», schmunzelt Matthias Wipf. Nach dem Studium war er unter anderem als Projektleiter bei Axel Springer tätig, als Leiter Kommunikation und Public Affairs bei der Kinderstiftung Pro Juventute und daneben immer wieder als Moderator an den verschiedensten Anlässen. 2017 folgte dann der Schritt in die Selbstständigkeit. «Mit allen Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren sammeln durfte, habe ich meinen Rucksack ideal gefüllt, um meinen Kunden einen echten Mehrwert bieten zu können», so der 53-jährige Schaffhauser.

«Jeder hat eine Geschichte zu erzählen»

Schreiben, recherchieren, Interviews führen – das gehört nun zu seinem Alltag. Seine Firma steht auf drei Pfeilern: Beratung in Strategischer Kommunikation und Krisenkommunikation, Moderation von Talkrunden, Firmenevents und Konferenzen, sowie «Publizistisches», wie Wipf es nennt. Das reicht von Ghostwriting für Reden über einzelne Artikel und Beiträge bis zu ganzen Büchern. Wobei er durch seine Arbeit fast täglich mit neuen Personen in Kontakt tritt. Das Kommunizieren ist für den Historiker ein sehr wichtiger Teil, nicht nur bei seiner Arbeit, sondern auch in seinem Privatleben. «Durch die Interaktion und Gespräche mit den unterschiedlichsten Menschen ergeben sich so viele Möglichkeiten, die einem in diesem Moment vielleicht gar nicht bewusst sind, aber dann in einem späteren Moment etwas entstehen lassen», weiss Matthias Wipf. Durch seine Tätigkeit als Moderator hat er schon die eine oder andere bekannte Persönlichkeit gegenübersitzen gehabt. Doch das seien nicht immer die Geschichten, die ihn am meisten beeindrucken. «Jede Person hat eine Geschichte zu erzählen. Bei gewissen muss man einfach ein bisschen genauer hinschauen, bei anderen liegt sie schon vor einem.» Für Matthias Wipf ist die Bühne ein Ort der Begegnung. «Wenn mich ein Thema interessiert, möchte ich alles herausfinden, was dahintersteckt», ergänzt der 53-Jährige schmunzelnd. Dabei wolle er nie als Besserwisser vor seinem Publikum auftreten. Vielmehr gehe es ihm darum, gemeinsam etwas zu entdecken.

«Ich lasse mich schnell faszinieren, wenn Leute mit tollen Projekten kommen.»
Matthias Wipf, Historiker und Publizist

Fundstücke aus dem Archiv

In den letzten Jahren hat sich bei Matthias Wipf eine zusätzliche Tätigkeit etabliert: das Verfassen von modernen Firmen- und Institutionsgeschichten. Diese Idee entstand während der Pandemie, als kaum noch Veranstaltungen möglich waren und er neue Projekte suchte. Seither hat er für verschiedene Schaffhauser Unternehmen Jubiläumsschriften umgesetzt und schnell gemerkt, wie viele überraschende Geschichten sich in den Archiven der Unternehmen verstecken. «Wenn eine Anfrage kommt, sage ich jeweils als Erstes: Ich möchte in den Keller, ins Archiv und mir ein Bild von dem Ganzen machen», erzählt Matthias Wipf. Alte Fotografien, handgeschriebene Erinnerungen oder längst vergessene Gegenstände – genau solche Funde lassen eine Geschichte wieder aufleben. Seine Bücher sollen für die Lesenden leicht zugänglich bleiben. «Ein Jubiläumsbuch darf heute keine ‹Bleiwüste› mehr sein, sondern muss Kästchen, Grafiken und gut gewählte Bilder haben», findet er. «Die Leute sollen dort einsteigen können, wo sie einen Bezug haben. Wenn es sie packt, lesen sie dann automatisch weiter.» Zu seinen bisherigen Werken gehören etwa «100 Jahre Hauseigentümerverband», «150 Jahre Stadttheater», «50 Jahre Brütsch Elektronik», «166 Jahre Spenglerei Bollinger» und ganz aktuell «100 Jahre Pensionskasse Schaffhausen».

Die Geschichte aufleben lassen

Bevor die Firmen- und Jubiläumsbücher zu einem festen Teil seiner Arbeit wurden, hat sich Matthias Wipf intensiv mit der lokalen Geschichte des Zweiten Weltkriegs auseinandergesetzt. 2005 erschien sein erstes Buch mit dem Titel «Bedrohte Grenzregion». Inzwischen hat er bereits vier weitere Bücher zum Thema Zweiter Weltkrieg verfasst, insbesondere zum Thema Bombardierung. Weshalb ihn gerade diese Geschichten so beschäftigen? «Es gibt nicht mehr viele Menschen, die diese Zeit miterlebt haben. Ich wollte ihre Erzählungen hören und aufschreiben, solange sie sie selbst noch teilen können.» Man merkt, es geht dem Historiker um die Menschen und deren Erinnerungen, die sonst irgendwann verschwinden würden.

Der (kommunikative) Ausgleich

Insbesondere die Monate Mai und Juni sowie September, Oktober und November sind für Matthias Wipf jedes Jahr ein Sprint: Events, Moderationen, Podien: «Da überschlagen sich die Termine regelrecht», sagt er. Andere Projekte wandern dann automatisch weiter nach hinten. Trotzdem hat er gelernt, auf sich zu schauen und sich bewusst Zeiträume für den eigenen Ausgleich zu schaffen. «Seit vielen Jahren habe ich eine Routine, die ich wirklich schätze», erzählt er. Jeden Morgen steigt er direkt nach dem Aufstehen für eine halbe Stunde auf seinen Hometrainer und schaltet das ARD-Morgenmagazin ein. «So starte ich informiert in den Tag und habe mich bereits etwas bewegt. Abends fehlt mir nämlich meist die Zeit, da bin ich oft noch an Veranstaltungen.» Das sei für ihn ein kleiner, aber wichtiger Moment nur für sich, bevor der Tag voll losgeht.

Noch mehr Energie gibt ihm das Reisen – gemeinsam mit seiner Partnerin Prisca Huguenin-dit-Lenoir. Wenn sie verreisen, gibt es für ihn zwei klare Kriterien: «Es muss warm sein. Und ich möchte etwas erleben, meine Neugierde auf Kultur und Menschen ausleben», sagt er. Faulenzen am Pool ist nicht sein Ding. Stattdessen sucht er unterwegs gezielt Orte auf, die ihn inspirieren. Ganz oben auf der Liste: Kinderhilfswerke mit Schweizer Bezug, die er recherchiert und dann die Verantwortlichen kontaktiert, ob man sich das vor Ort anschauen dürfe. So geschehen etwa in Kuba, in Guatemala, in Burkina Faso oder im Senegal. Daraus ergäben sich oft langjährige, sehr herzliche Beziehungen und Wipf kann diese nebst Spenden dann auch mit der Moderation von Benefizveranstaltungen in der Schweiz sehr gezielt unterstützen. Oder er meldet sich bei Schweizer Auslandkorrespondenten. So wie zuletzt in den USA bei Pascal Weber, dem Washington-Korrespondenten von SRF, mit dem er sich verabredete. «Solche Momente erlebst du nicht in einem klassischen All-inclusive-Urlaub. Diese Begegnungen bleiben hängen.»

Und stillstehen möchte Matthias Wipf auch künftig nicht. Ideen hat er genügend, einige davon warten schon seit Jahren in einer Schublade darauf, realisiert zu werden. Besonders eine reizt ihn: Er möchte einen historischen Roman schreiben. «Das ist eine Disziplin, die ich noch nie ausprobiert habe», sagt er. Die Geschichte dafür trägt er schon länger mit sich herum, und klar ist auch: Schaffhausen und die weite Welt werden dabei eine Rolle spielen. «Ich freue mich auf diese und viele anderen Herausforderungen», schmunzelt er.

Salome Zulauf, Schaffhausen24
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