«Im April 1965 bin ich als Christoph Oliver Ritter auf die Welt gekommen. Früh habe ich bemerkt, dass ich anders bin», erzählt Bianca Ritter im Gespräch mit dem «Bock». Sie nimmt einen Schluck Wasser und fährt fort: «Meine Jugend habe ich sozusagen verlebt und keine wirkliche Pubertät durchlaufen. Diese holte ich dann mit vierzig nach.»
Heute ist die 60-jährige PR-Schreiberin und Promi-Interviewerin durch all ihre Erfahrungen gereift und standfester geworden – nach dem Motto: «Was dich nicht umbringt, macht dich stärker.» Diese Eindrücke, Erlebnisse und Emotionen hat Bianca Ritter aufs Papier gebracht, genauer gesagt in ein Buch, mit dem Titel «Ausser man tut es», transformiert.
People-Interviews und PR-Texte
Als Kind habe sie rasch einmal den Kleiderschrank der Mutter entdeckt. Früher oder später stelle sich solch ein junger Mensch die Frage, was das alles nun bedeutet und ob dies ein Fetisch ist, so Ritter: «Die ganze BDSM-Geschichte, welche ich durchprobiert habe, war ein Fetisch. Die Entwicklung, zur Person, welche ich heute bin, war selbstverständlich keine, sondern meine wahre Bestimmung.» Vom Christoph bis zur Bianca sollte noch ein wenig Zeit ins Land ziehen.
Während dem KV habe ihr ein Lehrer geraten, Schriftstellerin zu werden. Rund sechs Jahre später wagte sie den Sprung in die Medienwelt. Ihre Karriere begann beim Stadt-Anzeiger in Glattbrugg. Danach schrieb sie für den Wochenspiegel in Bülach. «Während vier Jahren, und bis 2014, wohnte ich im Frohsinn in Hemmental. Damals gab es noch die Zeitung Schaffhauser Post, für welche ich unter anderem tätig war.» Es sei immer wieder schön, nach Schaffhausen zu kommen. Nur leider liege die Stadt nicht gerade am Weg. Die einzige übriggebliebene Verbindung zum Ort sei ein guter Freund, welcher ebenfalls in ihrem Buch vorkommt. «Hier hat es einen anderen Groove als etwa in Zürich. Ich weiss noch, in der Migros in Herblingen herrschte keine Hektik oder gar aggressive Stimmung beim Einkaufen», erinnert sich Ritter zurück.
Seit 2017 besucht sie im Auftrag des «Best of Magazin» Firmen in der Deutschschweiz für Publireportagen und interviewt Schweizer Promis. Eine ihrer aktuellen und schönsten Begegnungen habe sich mit Freddy Burger, dem Manager von Peppe Lienhard und einst auch von Udo Jürgens, abgespielt. Nach dem Interview hätten sie sich sogar noch über sehr Privates und ihre beiden neuen Bücher austauschen können.
Ihre Heimat hat sie definitiv im PR-Journalismus gefunden. Nur stelle sich mit 60 die Suche nach einer zusätzlichen Arbeit als sehr schwierig heraus.
Echt und authentisch
Wer ist Bianca Ritter überhaupt? «Ich bin sehr authentisch, humorvoll, kreativ und kollegial. Da ich relativ tabulos bin, kann man mit mir über alles reden. Wenn andere langsam einen roten Kopf bekommen, diskutiere ich fröhlich weiter.» Authentizität bedeute, dass Bianca Ritter in der Öffentlichkeit genau gleich ist, wie zu Hause. Eine Maus, welche sich in ihr Heim schleichen würde, sähe keinen Unterschied. «Klar, in den eigenen vier Wänden bin ich sicherlich eine gemütlichere Bianca, die gerne Musik hört und nicht so gestylt ist. Aber das gilt vermutlich für die meisten Menschen», so die Journalistin.
Zwangsläufig habe sie sich, aufgrund der «Metamorphose», respektive des Ablegens des einstigen Ichs, in eine andere Person verwandelt. Dennoch, im Kern sei sie der gleiche Mensch wie eh und je.
«Das Körperliche ist eine andere Geschichte und war wortwörtlich einschneidend gewesen. Denn durch die geschlechtsangleichende Operation kommt etwas dazu, während anderes entfernt wird.» Das für sie wohl einschneidendste Erlebnis war der Freitod ihres Vaters, den sie sozusagen selbst miterlebte. Zum Glück könne sie sich immer auf ihre Stärke verlassen – auch wenn sie in einem tiefen, dunklen Tal stecke: «Zuerst taumle und falle ich um. Ja, es laufen mir auch Tränen die Wangen hinunter. Aber ich stehe wieder auf. Spätestens am nächsten Tag ist die Kämpferin in mir wieder präsent.» Diese innere Kraft braucht sie bis heute, um allen Widrigkeiten zu trotzen, sagt Ritter: «Nicht alle Personen in meiner Situation haben es geschafft, manche sind heute nicht mehr unter uns.»