Home Region Sport Schweiz/Ausland Magazin Agenda
Gesellschaft
23.12.2025

Wo sind die Teenie Dystopien geblieben?

Bild: zVg.
Eine Gastkolumne von Maxim Mäder.

Im Oktober ging ich mit einer guten Freundin ins Kino, um den Film The Long Walk zu sehen. Es handelt sich um einen dystopischen psychologischen Thriller, der chronologisch die Geschichte einer Gruppe von Jugendlichen erzählt, die am sogenannten «Long Walk» teilnehmen. In dieser Welt ist die USA nach einem Bürgerkrieg stark im Niedergang, und eine Militärdiktatur hat die Macht übernommen. Jährlich organisiert sie einen Wettkampf, bei dem Jugendliche aus allen Bundesstaaten so lange wie möglich gehen müssen. Wer zu oft unter eine festgelegte Mindestgeschwindigkeit fällt, erhält ein sogenanntes «Ticket heim». Dieses harmlos klingende Codewort steht jedoch für die sofortige Erschiessung durch einen Soldaten. Der Tod ist fester Bestandteil der Regeln und wird von der Öffentlichkeit akzeptiert. Offiziell melden sich alle Teilnehmenden freiwillig. Im Verlauf der Geschichte wird diese Freiwilligkeit jedoch zunehmend hinterfragt, da sich praktisch jeder melden kann und tut, selbst jene, die es eigentlich nicht dürften. Dadurch entsteht ein System, das Druck erzeugt und echte Alternativen kaum zulässt. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Stephen King, der vor allem für seine Horrorgeschichten bekannt ist. The Long Walk war tatsächlich das erste Buch, das King schrieb, auch wenn es erst später veröffentlicht wurde. Der Roman ist als Spiegel der gesellschaftlichen bzw. politischen Zustände während des Vietnamkriegs gedacht. In dieser Zeit wurden junge Männer per Zufall zum Militärdienst eingezogen und in einen Krieg geschickt, aus dem viele nicht zurückkehrten. Der Film greift diese Bezüge bewusst auf, unter anderem durch Kleidung, Waffen, Fahrzeuge und an diese Epoche erinnernde Ästhetik.
Kings Werk gilt zugleich als früher Vertreter eines Genres, das ich hier vereinfachend als «Teenie Dystopien» bezeichne. In solchen Geschichten geht es meist um Gruppen von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, die in extremen und oft gewalttätigen Zukunftswelten ums Überleben kämpfen müssen. Häufig stehen autoritäre Systeme, moralische Dilemmata und der Verlust von Selbstbestimmung im Zentrum. Bekannte Beispiele aus diesem Genre sind The Hunger Games, The 100 oder The Maze Runner. Viele dieser Geschichten basieren ebenfalls auf Romanen und erlebten besonders in den späten 2000er- und frühen 2010er-Jahren einen grossen Hype. Sie prägten eine ganze Generation von Jugendlichen und waren sowohl kulturell als auch kommerziell sehr erfolgreich.
Umso auffälliger ist es, dass mit The Long Walk ausgerechnet eine der frühesten, wenn nicht die frühste, Teenie Dystopien nun auf die grosse Leinwand kommt, während das Genre insgesamt fast verschwunden scheint. Neue Produktionen dieser Art sind selten geworden, und das Interesse des Mainstreams hat sich offenbar verschoben. Die Frage bleibt, ob Teenie Dystopien nur eine Modeerscheinung waren oder ob sie eines Tages in neuer Form zurückkehren werden.

Schaffhausen24, Originalmeldung Maxim Mäder
Demnächst