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Gesellschaft
23.12.2025
23.12.2025 08:21 Uhr

Der Grillmeister der Vordergasse

Am Samstagvormittag stand Max Herren ein letztes Mal, gemeinsam mit seinem Sohn Robert Herren, grillierend auf der Vordergasse.
Am Samstagvormittag stand Max Herren ein letztes Mal, gemeinsam mit seinem Sohn Robert Herren, grillierend auf der Vordergasse. Bild: Salome Zulauf
Max Herren ist wahrscheinlich der älteste Grillmeister der Schweiz. Seit 30 Jahren stand er fast jeden Samstag vor der ehemaligen Filiale der Metzgerei Herren am Grill. Vergangenen Samstag hat der 96-Jährige nun zum letzten Mal die Grillzange in die Hand genommen.

Am vergangenen Samstag stand Max Herren zum letzten Mal mit seinem Grill vor der Metzgerei Niedermann an der Vordergasse. Mit der Grillzange in der Hand, und stets einem freundlichen Wort für die Kundschaft, verabschiedete sich der 96-Jährige von dem Ort, an dem er für viele Schaffhauserinnen und Schaffhauser zum festen Bestandteil des Samstagvormittags geworden ist. Nun ist Schluss – zumindest mit dem Grillieren beim Niedermann. Seine Geschichte aber geht weit darüber hinaus.

Wie es zum Grillieren kam

«Weshalb es überhaupt zum Grillieren vor der Metzgerei gekommen ist, führt einige Jahre zurück. Genauer gesagt eigentlich in meine Kindheit. Ich habe schon immer gerne gegessen und mit Lebensmitteln gearbeitet», erklärt Max Herren im Gespräch mit dem «Bock». «Das habe ich bestimmt von meiner Mutter geerbt, sie war von Beruf Köchin.» Als Jugendlicher machte Max Herren eine Lehre als Metzger in Thayngen und lernte das Handwerk von Grund auf. In den 1950er-Jahren verschlug es ihn dann in die Grossstadt, genauer gesagt nach Zürich. Er bewarb sich bei Bell an der Bahnhofstrasse – ohne grosse Erwartungen, da die Konkurrenz gross war. «Im Hinterkopf wollte ich eher zur Polizei», sagt er und lacht. Doch er bekam die Stelle. «Das war für mich eine Bestätigung, dass ich auf dem richtigen Weg bin.»

Von diesem Moment an war für Max Herren klar: Er bleibt Metzger. Nach seiner Zeit bei Bell arbeitete er wieder in der Region Schaffhausen, in der damaligen Metzgerei Moser in der Unterstadt, gemeinsam mit  seiner Frau Elisabeth Herren. «Schlussendlich haben wir zusammen die Mosermetzg geführt, sie im Verkauf und ich als Metzger», erzählt der 96-Jährige. Die Metzgerei verfügte damals über sieben Filialen in und um die Stadt Schaffhausen.

Die eigene Metzgerei

1961 folgte ein weiterer wichtiger Schritt: Max Herren konnte die Metzgerei an der Vordergasse übernehmen, damals noch von Schachenmann. «Wir hatten ein riesiges Glück, dass wir diese Metzgerei übernehmen konnten», sagt er. «Manchmal muss man einfach etwas Glück im Leben haben, und wir haben diese Chance gepackt, um unseren kleinen Traum zu verwirklichen.» Täglich standen nun Max und Elisabeth Herren in ihrer Metzgerei.

Das Metzgerei-Schwinden

Im Jahr 1961 zählte der Kanton Schaffhausen noch 48 Metzgereien. Heute gibt es in der Stadt nur noch die Verkaufsfiliale von der Metzgerei Niedermann, im ganzen Kanton sind es noch fünf Betriebe. Für Max Herren ist das ein trauriger Anblick. «Ich habe sozusagen alles miterlebt. Als ich in die Branche einstieg, boomte sie, es ging uns gut. Heute sieht die Situation ganz anders aus.» Rund 30 Jahre lang führten Max Herren und seine Frau die Metzgerei an der Vordergasse. Daneben bildeten die beiden Schaffhauser Lehrlinge aus, Max unterrichtete zudem zehn Jahre an der Berufsschule. Dabei erzählt der 96-Jährige, dass seine Frau immer die Seele der Metzgerei an der Vordergasse war und stets schaute, dass alles reibungslos funktionierte. 1991 übergab Max Herren dann die Metzgerei Herren an seinen Sohn Robert und dessen Frau Nicole Herren. Ganz loslassen konnte Max Herren den Beruf nie, er arbeitete weiter – dafür liebt er ihn bis heute zu sehr. Die Branche kannte er wie kaum ein anderer und beobachtete auch deren Wandel. Der zunehmende Druck durch Grossverteiler wie Migros oder Coop, der Rückgang kleiner Metzgereien, der Bau des Herblingermarkts, sowie die Veränderungen in der Innenstadt, hätten den Metzgereien stark zugesetzt. «Das war der Tod für unsere, aber auch für viele andere Metzgereien im Kanton», sagt Max Herren offen. Als die Kundschaft weniger wurde, kam ihm Mitte der 1990er-Jahre eine Idee: Würste direkt vor dem Geschäft am Wochenmarkt zu grillen und zu verkaufen. «Ich habe mit meinem Sohn vereinbart, dass ich ein Jahr Zeit habe, diese Idee umzusetzen», erinnert er sich. Der Erfolg gab ihm recht. Seit 1995 stand Max Herren fast jeden Samstag vor dem Laden, grillierte Würste und wurde über die Jahre zu einem festen Bestandteil der Schaffhauser Altstadt. «In dieser Zeit habe ich enorm viele Menschen kennengelernt», sagt er. Viele blieben stehen, wechselten ein paar Worte oder kamen regelmässig vorbei. Besonders schätzte er den Austausch mit jüngeren Generationen. Oft halfen ihm Kanti-Schülerinnen und -Schüler der geld aufzubessern.

Zeit haben

Langweilig wird Max Herren auch ohne Grill nicht. Er läuft viel, turnt jeden Morgen, trifft sich mit dem Männerchor Frohsinn, kocht gerne und verbringt Zeit mit seiner Familie. «Ich muss ja nicht mehr stressen», sagt er. «Ich habe Zeit und diese möchte ich geniessen.» Die Grillzange hat Max Herren nun am letzten Samstag aus der Hand gelegt. Womit er nicht gerechnet hat, war die grosse Resonanz vor Ort: «Meine Familie, sowie Bekannte und Freunde waren alle vor Ort, um mich zu überraschen, was mich riesig gefreut hat.»

Salome Zulauf, Schaffhausen24
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