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18.12.2025

Vom Energiemix zur Solar-Milchproduktion

Die Teilnehmer bei der Axpo. Der Kanton Schaffhausen ist mit acht Prozent bei der Axpo ­beteiligt.
Die Teilnehmer bei der Axpo. Der Kanton Schaffhausen ist mit acht Prozent bei der Axpo ­beteiligt. Bild: zVg.
Im Mittelpunkt der diesjährigen Energie-Fachreise der Schaffhauser Landenergie stand die Stromproduktion in ihren vielfältigen Ausprägungen. Ziel war es, den Teilnehmenden aufzuzeigen, wie sich die Stromrechnung der Zukunft zusammensetzen könnte – und wie sich mit innovativen Technologien der Eigenverbrauch auf Hof und Betrieb ganzjährig optimieren lässt. Der spätherbstliche Reisetag mit Nebel, Sonne und Wolken passte dabei ideal zum Thema der variablen Energiegewinnung.

Rund zwei Dutzend Teilnehmende machten sich morgens auf den Weg nach Baden zur Axpo. Beim Eintreffen wurde schnell klar, welch zentrale Bedeutung dieser Besuch hat: Nur in Begleitung und nach Passieren mehrerer Sicherheitsschleusen durfte die Gruppe die Leit- und Steuerzentrale betreten.

Zu Beginn erläuterte Clemens Bolli, Leiter Kantonale Energiepolitik bei Axpo, die Eckpfeiler des Unternehmens. Axpo ist der grösste Stromproduzent, Energieinvestor und -händler der Schweiz – deutlich vor BKW und Alpiq. Der Kanton Schaffhausen ist mit acht Prozent beteiligt.

Die Unternehmensstrategie basiert auf drei tragenden Säulen:

Energieversorgung: Beispielhaft dafür stehen die vielen Speicherseen in den Alpen, die Laufwasserkraftwerke im Mittelland, die Netze und die Kernkraft.

Erneuerbare Energien: Ausbau insbesondere von Solar- und Windkraft im In- und Ausland.

Kunden- und Handelsgeschäft: Handel mit Energie und Entwicklung innovativer Kundenlösungen.

Wo die Fäden zusammenlaufen

In der Steuerzentrale wird sichtbar, wie anspruchsvoll die Energieoptimierung heute ist. Ein kleines Team steuert 365 Tage im Jahr rund um die Uhr den optimalen Kraftwerkseinsatz. Mehrmals pro Stunde wird der «Cocktail» aus Solar-, Wasser- und Windstrom, Bandenergie aus Kernkraftwerken sowie Biomasse neu bewertet und angepasst. Dies geschieht basierend auf der ständigen Beobachtung unzähliger Faktoren wie Wetter, aktueller Stromnachfrage, oder Verfügbarkeiten einzelner Kraftwerke.

Dabei spielt der europäische Energiemarkt eine wesentliche Rolle: Zwar ist im Sommer dank Wasser- und Solarkraft in der Schweiz normalerweise mehr als genug Strom vorhanden. Trotzdem kann es manchmal sinnvoll sein, über Mittag überschüssigen Solarstrom aus Deutschland zu importieren, um zum Beispiel die Pumpspeicher zu füllen. Sie stellen ideale Lösungen dar, um Energie über Stunden oder wenige Tage zu speichern. 

Im Winter sieht es anders aus: in der Summe muss die Schweiz in der kalten Jahreszeit meist Strom importieren. Zwar sind die grossen Speicherseen in den Alpen neben den Kernkraftwerken ein wichtiges Element der Winterstromversorgung. Im Gegensatz zu den Pumpspeichern können sie grosse Mengen Energie in Form von zurückgehaltenem Wasser vom Sommer in den Winter speichern. Aber sie reichen bei weitem nicht aus, um den Winterbedarf zu decken. Deshalb müssen im Winter fehlende einheimische Energien vermehrt durch Importe gedeckt werden. Der importierte Strom stammt zu einem substanziellen Teil aus französischer Kernkraft, und bei guten Windverhältnissen in Deutschland aus deutscher Windkraft.

Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, steht in Birr AG ein Gaskraftwerk des Bundes als Reserve bereit – bisher musste es jedoch noch nie eingesetzt werden.

Energiehandel auf höchstem Niveau

Im Anschluss besuchte die Gruppe das Energiehandelszentrum im dritten Stock – mit Blick auf den Badener Bahnhof. Hier arbeiten die Traderinnen und Trader ähnlich wie an einer Börse. Mindestens vier Bildschirme pro Arbeitsplatz, dazu Grossleinwände mit aktuellen Nachrichten und präzisen Wetterprognosen: Eine unverzichtbare Basis für die Bewertung von Energiepreisen und die Einschätzung von Produktion und Nachfrage.

Den Teilnehmenden wurde eindrücklich bewusst, dass die zukünftige Stromrechnung kaum mehr nur zwischen Tag- und Nachtstrom unterscheidet, sondern sich aus einer Vielzahl von Energieprodukten, Marktpreisen und Netzleistungen zusammensetzen wird.

Solarstrom im Milchviehbetrieb

Am Nachmittag führte die Reise nach Fislisdorf AG auf den modernen Ackerbau- und Milchwirtschaftsbetrieb der Familie Petermann. Betriebsleiter Toni Petermann begrüsste die Gruppe vor dem neuen Milchviehstall, in den kürzlich 62 Holstein-Kühe eingezogen sind. Im Hintergrund liefen bereits Umbauarbeiten am alten Stall, der künftig neu genutzt werden soll. Der Betrieb umfasst 62 Hektar Ackerbau, Milchviehhaltung und Lohnarbeiten. Der Neubau des Stalls ist auf die nächste Generation ausgerichtet, die den Betrieb in zwei Jahren übernehmen wird. Innovation und Sauberkeit prägen den gesamten Hof – und insbesondere die grossflächigen Photovoltaikanlagen auf den Dächern.

Solarstrom als Treiber einer energieautarken Landwirtschaft

Die PV-Anlage ist so ausgelegt, dass sie den jährlichen Strombedarf der Innenwirtschaft nahezu vollständig decken kann. Stromintensive Anlagen wie die Obenentnahmefräse der über 1000 m³ grossen Futtersilos, die Roboter für Fütterung und Entmistung, der 14er-Melkstand, die Milchkühlung sowie die Heizung der Arbeitsbereiche im Freilaufstall werden bewusst auf Eigenstrom ausgerichtet. Mit einer neuen Trafostation zur Rückspeisung ins Netz und einem leistungsstarken Batteriespeicher ist der Betrieb zudem gegen Lastspitzen und Schlechtwetterperioden gut gerüstet. «Unser Ziel ist klar: Am Jahresende wollen wir keine Stromrechnung mehr erhalten – sondern eine Gutschrift», erklärt Toni Petermann. Dieser Satz steht sinnbildlich für den Innovationsgeist und den Durchhaltewillen der gesamten Familie.

Fazit

Mit zahlreichen neuen Eindrücken und einem klareren Verständnis für die komplexe Welt der Energieproduktion traten die Teilnehmenden die Heimreise an. Die Diskussionen im Bus verliefen angeregt weiter – ein Zeichen dafür, wie stark die Themen Energiemix, erneuerbare Technologien und betriebliche Eigenversorgung die Landwirtschaft von heute und morgen prägen.

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